50er Jahre in der DDR

Langsamer Wiederaufbau

Wie im Westen, so sind auch im Osten die Folgen des Krieges noch überall sichtbar. Der Wiederaufbau in der DDR geht nur langsam voran, die Lebensbedingungen sind schlechter als in den westlichen Besatzungszonen. Erst im Laufe der 1950er Jahre entspannt sich die Lage. Die größte Not ist überwunden. Doch die Versorgung mit Gütern für den täglichen Gebrauch ist auch „dank“ der sozialistischen Planwirtschaft noch immer begrenzt.

Bescheidene Verhältnisse

Getreu ihrem Anspruch, die führende Kraft der Arbeiterklasse zu sein, legt die SED die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft fest. Und die sind auf den ersten Blick durchaus überzeugend: Die Steuern sind niedrig, die Beiträge zu Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung liegen insgesamt bei etwa 20 Prozent vom Lohn. Grundnahrungsmittel und Mieten werden subventioniert, damit die Grundversorgung aller gesichert ist.

Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Seit Mitte der1950er Jahre gibt es in der DDR offiziell keine Arbeitslosigkeit mehr. Das liegt zum einen an den realen Verlusten an Arbeitskräften durch die Fluchtbewegung der 1950er Jahre. Das liegt aber auch daran, dass  Betriebe Arbeitskräfte zugeteilt bekommen, auch wenn sie diese nicht sinnvoll beschäftigen können.

Doch die Verteilungsspielräume sind begrenzt – enger als in der Bundesrepublik. Die Löhne für Industriearbeiter steigen im Laufe der 1950er Jahre nur langsam an, die der Handwerke, Facharbeiter, Ärzte und Lehrer auch. Die Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen sind aus politischen Gründen gering, was die Zustimmung von qualifizierten Fachkräften und Akademikern zu m SED-Regime nicht gerade fördert. Privilegien werden nach politischen Verdiensten vergeben. Doch auch diese sind begrenzt und führen nicht zu einem Leben im Luxus. Für die breite Masse der Bevölkerung gilt wohl: Man nimmt die Angebote des Regimes mit und versucht im übrigen, seine Lebenssituation durch individuelle Leistung und persönliche Beziehungen zu verbessern.

Auch was produziert wird, entscheiden die Planbehörden auf Grundlage des von der SED-Führung verabschiedeten Wirtschaftsplans. Die Folge ist: Das Warenangebot ist entweder zu knapp bemessen oder geht an den Bedürfnissen und dem Geschmack der Bevölkerung vorbei. So kann die Rationierung von Lebensmitteln erst 1958 aufgehoben werden. In der Bundesrepublik ist dies bereits 1950 der Fall. Und die Waren des gehobenen Bedarfs sind teuer und werden nicht über HO und Konsum verkauft. Es gibt sie nur zu höheren Preisen in Delikat- und Exquisit-Läden. Luxusgüter aus dem westlichen Ausland können seit 1962 nur gegen harte Währung (Valuta) in Intershops eingekauft werden.

Das zentrale Thema aber ist und bleibt die Wohnungsnot. Zwar werden von 1950 bis 1960 nach Angaben der DDR-Führung 500.000 neue Wohnungen gebaut. Doch junge Familien tun sich schwer, eine Wohnung zu finden bzw. zu bekommen. Viele junge Paare haben keine andere Wahl als zunächst getrennt von einander bei ihren Eltern zu bleiben. Die Art, wie die Wohnungen zugeteilt werden, ist undurchsichtig und wird von vielen als ungerecht empfunden.

Wer eine Neubauwohnung ergattert, ist froh. Auch eine Wohnung in der Plattenbausiedlung verbessert die Wohnsituation spürbar. Die neuen Wohnungen haben, anders als viele Altbauten, ein eigenes Badezimmer mit Dusche und WC. Und die Mieten sind dennoch niedrig.

Fazit: Not und Elend sind aus der DDR der 1950er Jahre verbannt, die Grundversorgung ist gesichert. Aber die Versorgungsengpässe prägen den Alltag: Anstehen für knappe Lebensmittel und lange Wartezeiten für Konsumgüter wie Waschmaschinen und Autos – das stellt die Bürger der DDR oft auf eine harte Geduldsprobe.

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Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund: Die Sozialstation der SED
Zentrale Einheitsgewerkschaft: Die Strukturen des FDGB
Das Programm des FDGB: Feuer und Flamme für den Sozialismus
Geringe Lohnunterschiede als Programm: Bescheidene Löhne für alle

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Arbeitslosigkeit, Arbeitszeit, Arbeitskämpfe, Löhne, Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften, Strukturdaten zur Erwerbsbevölkerung.

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