Für die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine und die Christlichen Gewerkschaften, die sich beide schon seit der Jahrhundertwende ausdrücklich als „nationale“ Bewegungen verstehen, ist die Kriegszeit keine Belastungsprobe. Anders sieht das für die Sozialdemokratie aus.
Seit der Debatte um die Bewilligung der Kriegskredite und um die Politik des Burgfriedens, gibt es in der SPD eine stetig wachsende innerparteiliche Opposition. Dazu gehört nicht nur die radikale Linke, deren Wortführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind, sondern auch Sozialdemokraten der „Mitte”, unter ihnen Karl Kautsky, Eduard Bernstein und Hugo Haase.
Die Führung der Freien Gewerkschaften, selbst eingeschworen auf die Burgfriedenspolitik, unterstützt entschieden den Kurs der Fraktionsmehrheit. Nicht zuletzt wohl, um ein Übergreifen der Flügelbildung in der SPD auf die Freien Gewerkschaften zu vermeiden, tritt sie für eine konsequente Ausgrenzung der Gegner der Burgfriedenspolitik ein, die sie durch die innerparteiliche Opposition gefährdet glaubt.
Schon im Februar 1915 fordert Carl Legien in der SPD-Reichstagsfraktion den Ausschluss Liebknechts wegen Bruchs der Fraktions-Disziplin, hatte Liebknecht doch im Dezember 1914 offen gegen weitere Kriegskredite gestimmt. Als im Juni 1915 die Leipziger „Volkszeitung” ein Aufruf von 150 Gewerkschaftsfunktionären veröffentlicht, in dem die SPD-Führung aufgefordert wird, mit der „Politik des 4. August” zu brechen, antwortet die Generalkommission mit einer überaus scharfen Verurteilung jeder „Sonderbündelei” in der SPD. Die Verbandsvorstände stellen sich hinter diese Stellungnahme und bekräftigen nochmals ihre Unterstützung für die „von der übergroßen Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion und des Parteiausschusses sowie von dem Parteivorstand” geführte Politik. Wörtlich heißt es: „Die von den Sonderbündlern in der Partei vertretenen Ansichten widersprechen dem Wesen und Wirken der Gewerkschaften, ihre Durchsetzung wäre die Preisgabe alles dessen, was die Gewerkschaften geschaffen haben und erstreben.”
Außerdem droht die Generalkommission damit, falls die bisherige politische Linie nicht konsequent weiterverfolgt werde, eine eigene, eine Gewerkschaftspartei zu gründen. Die Politik der Generalkommission engt also den Spielraum für Kompromisse der Parteiführung mit der innerparteilichen Opposition zusätzlich ein und unterstützt somit die Politik der Abgrenzung.
Im Frühjahr 1916 werden die oppositionellen Abgeordneten zunächst aus der Fraktion ausgeschlossen, die daraufhin die „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft” bilden. Sie trifft sich im Januar 1917 zu einer Sonderkonferenz. Daraufhin werden die Abgeordneten auch aus der Partei ausgeschlossen. Sie gründet Ostern 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD).
Die Generalkommission begrüßte im März 1916 ausdrücklich die Spaltung der SPD-Fraktion, bedeute dies doch eine Klärung der Situation. Auf der Konferenz der Verbandsvorstände am 20./22. November 1916 bekennt sich die Mehrheit – gegen drei Stimmen – zur Linie der Mehrheit der Sozialdemokraten und damit eindeutig gegen eine Neutralität der Gewerkschaften in der laufenden parteipolitischen Auseinandersetzung.
Wenn jedoch die Gewerkschaftsvorstände, vor allem die Generalkommission, geglaubt haben sollten, damit sei das Problem erledigt, so haben sie sich getäuscht. Auch in den Gewerkschaften regt sich die Opposition. Regionale Zentren sind Berlin sowie das mitteldeutsche und das rheinisch-westfälische Industriegebiet. Besonders stark ist die Opposition dort, wo sich gewerkschaftliche und parteipolitische Gruppierungen gegenseitig unterstützten, insbesondere in Berlin, Braunschweig, Bremen, Hamburg und auch in Leipzig. Außerdem entwickeln sich in einzelnen Gewerkschaften Oppositionsgruppen von beachtlicher Stärke. Auf dem Kölner Verbandstag des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes im Juni 1917 wird die Vorstandslinie mit nur 64 zu 53 Stimmen gebilligt. 1919 übernimmt die Opposition sogar die Verbandsspitze und stellt mit Robert Dissmann, der während des Krieges in die USPD eingetreten ist, den neuen Vorsitzenden. Schon in der Kriegszeit bekennen sich die Verbände der Schuhmacher und der Textilarbeiter zur Linie der USPD. Starke oppositionelle Flügel gibt es auch in den Verbänden der Bäcker, der Glasverarbeiter, der Handlungsgehilfen und der Kürschner.