Der Wechsel von Willy Brandt zu Helmut Schmidt im Jahr 1974 markiert das Ende der Reformära. Die Regierung Schmidt versucht, durch eine restriktive Finanzpolitik die Krise zu bewältigen, der Spielraum für weitere Reformen wird dadurch eng. Dies führt fast zwangsläufig zu Konflikten mit den Gewerkschaften.
Aber auch bei Reformen, die den Staat kein Geld kosten, stoßen die Gewerkschaften an ihre Grenzen. Das zeigt sich besonders deutlich bei der Auseinandersetzung um die Mitbestimmung. Die Positionen sind klar: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) malt das Gespenst des drohenden Gewerkschaftsstaates an die Wand. Die Gewerkschaften versuchen mit einer Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB über „Gewerkschaftsstaat oder Unternehmerstaat” gegenzusteuern. Doch den besseren Draht zur Regierung haben offensichtlich die Arbeitgeber. Dank FDP fließen einige Vorstellungen der Arbeitgeber in den Regierungsentwurf eines Mitbestimmungsgesetzes aus dem Jahr 1974 ein. Am 18. März 1976 wird das Gesetz, das im Zuge der Beratungen noch mehrfach verändert wird, vom Bundestag verabschiedet. Das Ergebnis: In Unternehmen, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, wird die Mitbestimmung der Arbeitnehmer erweitert. Die Aufsichtsräte dieser Unternehmen müssen mit der gleichen Zahl von Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besetzt werden, wobei die Größe des Aufsichtsrats von der Zahl der Belegschaftsmitglieder abhängt.
Komplizierter als im Montan-Modell ist die Zusammensetzung der Arbeitnehmerseite: Ein Teil der Arbeitnehmersitze ist den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften vorbehalten. Die übrigen Sitze werden auf die Arbeiter, Angestellten und leitenden Angestellten entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbelegschaft verteilt. Jede dieser Gruppen hat jedoch mindestens einen Sitz. Alle Arbeitnehmervertreter, auch die Gewerkschafter, werden von der Belegschaft gewählt. In Unternehmen mit weniger als 8.000 Arbeitnehmern erfolgt die Wahl direkt, sonst über ein Wahlmännergremium. Der von der Kapitalseite bestellte Aufsichtsratsvorsitzende hat für den Fall wiederholter Stimmengleichheit in Abstimmungen eine zweite Stimme.
Die Gewerkschaften sind enttäuscht: Nach ihrer Ansicht gehören leitende Angestellte, die nach dem Bundesarbeitsgerichtsurteil vom März 1974 ausdrücklich unternehmerische Funktionen haben müssen, nicht zur Arbeitnehmerseite. Zudem bemängeln sie, dass die Arbeitnehmerseite nicht – wie nach der Montan-Regelung – entscheidenden Einfluss auf Benennung oder Ablehnung des Arbeitsdirektors im Vorstand hat.
Aber auch die Arbeitgeber sind mit dem Gesetz nicht zufrieden. Ihrer Ansicht nach wird die im Grundgesetz festgeschriebene Garantie des Privateigentums und der unternehmerischen Freiheit durch das Mitbestimmungsgesetz verletzt. Überdies bedeute die Beteiligung der Gewerkschaften im Aufsichtsrat einen Informationsvorteil für die Gewerkschaften, der die Tarifautonomie außer Kraft setze. Die Arbeitgeber ziehen vor das Bundesverfassungsgericht, die Gewerkschaften nehmen die Klage zum Anlass, aus der „Konzertierten Aktion” auszutreten. In seinem Beschluss vom 1. März 1979 gibt das Bundesverfassungsgericht der Klage der Arbeitgeber nicht statt. Doch es fasst die Grenzen für die Mitbestimmung so eng, dass eine Ausdehnung der paritätischen Mitbestimmung in weite Ferne rückt.
Das Wachstum fördern
Der DGB begrüßt die Investitionsprogramme der Bundesregierung, mit denen die Konjunktur angekurbelt werden soll. Er bemängelt allenfalls, sie kämen zu spät und seien finanziell zu eng begrenzt. In der Tat stimmen die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Regierung Schmidt im Prinzip mit den Vorstellungen überein, die der DGB im Juli 1977 mit seinen „Vorschlägen zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung” vorlegt hat. Darin werden Maßnahmen zur Förderung des qualitativen Wachstums in ausgewählten Wirtschaftsbereichen, zur Humanisierung der Arbeit und vor allem zur Verkürzung der Arbeitszeit gefordert. Im Zentrum aber steht die Forderung nach einer aktiven Beschäftigungspolitik, d. h. nach verstärkten öffentlichen Programmen zur Arbeitsbeschaffung.
Die Forderungen zur Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen haben auch im 5. Aktionsprogramm des DGB vom Juni 1979 einen herausragenden Platz. Sie werden im März 1981 durch die Forderung nach einem „Investitionsprogramm zur Sicherung der Beschäftigung durch qualitatives Wachstum” mit einem Gesamtvolumen von 10 Milliarden DM ergänzt. Finanziert werden soll das Programm durch eine allgemeine Arbeitsmarktabgabe und durch eine nicht rückzahlbare Ergänzungsabgabe auf die Steuern der Bezieher hoher und höchster Einkommen. Vorgesehen sind Maßnahmen u. a. zur Energieeinsparung, zur Wohnungs- und Städtesanierung, zum Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs, zur Erneuerung der Entsorgungssysteme (Kläranlagen usw.) und zur Verbesserung von Ausbildung und Forschung.
Widerstände bei Unternehmern und FDP
Doch je länger die Arbeitsmarktkrise dauert, desto größer werden die Widerstände von Unternehmern und FDP gegen eine staatliche Arbeitsbeschaffungspolitik. Sie seien unwirksam, sagen sie; und der Anstieg der Arbeitslosen scheint dies zu belegen. Gleichzeitig führe dies zu einer Staatsverschuldung, die nicht zu verantworten sei. Immer schärfer attackieren Unternehmer, FDP und CDU/CSU die SPD und die Gewerkschaften, die mit ihrer Politik einem „überzogenen Anspruchsdenken” der Bevölkerung Vorschub leisteten.
Ende der 1970er Jahre drängen die Unternehmer so deutlich wie nie zuvor in der Bundesrepublik auf eine politische „Wende”. Die Gewerkschaften sollen in die Schranken verwiesen werden, die Parole vom „Gewerkschaftsstaat” machte erneut die Runde. Ein „Verbändegesetz” soll die Gewerkschaften an die Kette legen, in einem „Tabu-Katalog” formulieren die Arbeitgeber 1978 über welche Themen sie nicht mit den Gewerkschaften verhandeln werden. Ein weiteres Indiz für die „Roll back-Strategie” der Unternehmer ist der Versuch der Mannesmann AG, im Juni 1980 durch die Einbindung der Hütten- in die Röhrenwerke die Mitbestimmung nach dem Montanmodell zu unterlaufen. Diese Frage lässt spaltet auch die SPD/FDP-Koalition. Erst 1981 kann man sich auf einen Kompromiss einigen, der freilich – die Mitbestimmung wird bis 1987 gesichert – die Gewerkschaften kaum befriedigen kann.
Selbstverständnis und Aktionsfähigkeit der Gewerkschaften sollen 1978/79 zudem durch die Kampagne gegen die „Verfilzung” von Gewerkschaften und SPD getroffen werden. Die Vorschläge aus Kreisen der CSU, in den DGB-Gewerkschaften parteipolitische Fraktionsgruppen zu bilden, oder aber eine Stärkung des Christlichen Gewerkschaftsbundes zu erwägen, werden von den DGB-Gewerkschaften entschieden zurückgewiesen. Auch die Angriffe wegen einer angeblichen Unterwanderung einzelner Verbände durch Kommunisten, wie sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 21. April 1979 erhoben werden, werden von den meisten Gewerkschaften zurückgewiesen – zumal sie sich Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen den Zustrom neuer Mitglieder aus den Reihen der Außerparlamentarischen Opposition (APO), aber auch aus der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die 1968 (für die 1956 verbotene KPD) gegründet wurde, gewehrt haben.