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Ein Bild des logos der Internationalen Arbeitsorganisation

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit: Scheitern und Neubeginn

Der Beginn des Ersten Weltkrieges zeigt die Grenzen der internationalen Gewerkschaftskooperation.

Zwar erheben die Gewerkschaften bei mehreren internationalen Kongressen die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe. Doch ein allgemeiner Generalstreik in allen am Krieg beteiligten Ländern kommt nicht zu Stande. Die meisten Gewerkschaften, auch die deutschen, lassen sich in die Kriegsanstrengungen ihres Heimatlandes einbinden.

Das bedeutete eine schwere Belastung für die Wiederbelebung der internationalen Gewerkschaftsarbeit nach dem Ende des Krieges. Erschwerend kommt die Spaltung der sozialdemokratisch-sozialistischen Arbeiterbewegung durch die Entstehung der kommunistischen Richtung hinzu. Neben den IGB tritt 1921 die Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI). Die IBS stehen letzterer distanziert gegenüber und halten überwiegend Kontakt zum IGB. Es bleibt vielfach bei der Konzentration der Aktivitäten auf Europa; und auch die Herausbildung von eigenen internationalen Organisationszentralen stockt.

Auch die Anarcho-Syndikalisten gründen eine eigene internationale Gewerkschaftsorganisation: Weihnachten 1922 wird in Berlin die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) geschaffen. Mitglieder sind anarcho-syndikalistische Verbände vor allem in Europa und in den USA. Die IAA versteht sich als Gegnerin sowohl der sozialdemokratisch wie der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsorganisationen, spielt aber, was den Einfluss auf die internationale Politik anlangt, nur eine untergeordnete Rolle.

Mit der Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) im Jahre 1919 gewinnt die internationale Gewerkschaftsbewegung eine neue politische Arena, auf der sie aktiv wird. Die Gründung der IAO erfolgt auf Anregung der internationalen Gewerkschaftsbewegung und wird mit dem Abschluss des Friedensvertrages von Versailles vereinbart. Sie ist eine Sonderorganisation des Völkerbundes, dann – ab Dezember 1946 – der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. IGB, RGI, IBCG und IBS bringen in den 1920er Jahren ihre Vorschläge zur Gestaltung des Arbeitsschutzes, des Arbeitsrechts und des Sozialversicherungswesens ein. Damit unterstützen sie das Bemühen, zu einheitlichen Standards der Arbeitsbedingungen, z.B. zur weltweiten Einführung des 8-Stunden-Tags, zu gelangen. Doch diese Anstrengungen sind nur in seltenen Fällen von Erfolg gekrönt; denn nicht alle Nationalstaaten sind bereit, die international ausgehandelten Abkommen zu ratifizieren. Den Siegeszug faschistischer bzw. nationalsozialistischer Bewegungen in Italien, Spanien und Deutschland und die Zuspitzung der internationalen Konflikte bis hin zu einem erneuten Weltkrieg können die internationalen Gewerkschaftsorganisationen nicht verhindern.

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