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DGB-Plakat zum ökologischen Umbau der Wirtschaft: Menschenskinder, wir müssen was tun! 1992

„Alt“ trifft „Neu“: Punktuelle Zusammenarbeit

Unübersehbar sind die Zeichen dafür, dass die Gewerkschaften in letzten Jahren enger an Gruppierungen der Neuen sozialen Bewegungen heranrücken. Das zeigt sich z.B. beim Thema der Freihandelsabkommen. So rufen die DGB-Gewerkschaften im Sommer 2015 gemeinsam mit mehreren Nichtregierungsorganisationen bundesweit zu einer Großdemonstration gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA auf.

Außerdem engagieren sich Gewerkschaften zusammen mit den Vertretern und Vertreterinnen der LSBTQ-Bewegung für die Sicherung von gleichen Rechten, Gleichwertigkeit und gleicher Teilhabe für alle Menschen welcher Religion, ethnischen Herkunft, geschlechtlichen oder sexuellen Identität auch immer. So beglückwünscht der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann im Juni 2015 den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) zu seinem 25-jährigen Bestehen: Nach seinen Worten setzen sich dieser Verband und auch die Gewerkschaften ein „für eine offene, tolerante Gesellschaft. Für eine Gesellschaft, in der es kein Problem ist, lesbisch, schwul, bisexuell oder Transgender zu sein – in der es keine Diskriminierung gibt.“ Und er fährt fort: „Aufzuklären und für Akzeptanz zu sorgen bleibt auf der Tagesordnung, für den LSVD und auch für uns Gewerkschaften.“

Jüngstes Beispiel für die Kooperation von Gewerkschaften und Neuen sozialen Bewegungen ist das gemeinsame Auftreten von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern mit Fridays for Future im Rahmen von Kundgebungen zum Klimaschutz. Zu denken ist z.B. an die Demonstrationen der Klimaschutzbewegung zusammen mit der EVG im Juli 2019 und mit ver.di und EVG in der Tarifrunde im Frühjahr 2023. Es ist gewiss kein Zufall, dass gemeinsame Aktionen im März 2023 zur Zeit eines Arbeitskampfes stattfinden; sind es doch gerade Arbeitskämpfe, in denen der Bewegungscharakter der Gewerkschaften fortlebt und demgemäß die Anschlussfähigkeit der Gewerkschaften für Neue soziale Bewegungen unterstreicht.

Allerdings gibt es deutliche Grenzen: Entschieden weisen die Gewerkschaften jeden Einsatz von Gewalt zurück. Das prägt ihre Stellungnahmen z.B. zu den alljährlich wiederkehrenden „alternativen“ 1. Mai-Demonstrationen vor allem in Berlin, zu den Krawallen von Globalisierungsgegnern anlässlich des G20-Gipfels 2017 in Hamburg und zur Protestaktion für ein Ende des Kohleabbaus im Hambacher Forst 2022. Hier zeigen sich die Unterschiede in Politikverständnis und Protestformen zwischen den Gewerkschaften und Teilen der Neuen sozialen Bewegungen überdeutlich.

Biegner, Kathrin (Hrsg.: Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk Nordrhein-Westfalen, Argumente gegen Rechtspopulisten. AfD im Fokus, 2. Aufl., Düsseldorf, September 2016 (Online verfügbar)

Stöss, Richard, Gewerkschaften und Rechtsextremismus in Europa, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2017 (Online abrufbar)

Teichmann, Ulf u. Christian Wicke, Alte und Neue soziale Bewegungen. Einleitende Anmerkungen, in: Arbeit Bewegung Geschichte 17, H. 3, S. 11-19

Teichmann, Ulf, Gemeinsame Traditionen? Erinnerungspolitik zwischen Gewerkschaften und Neuen sozialen Bewegungen, in: Stefan Berger, Wolfgang Jäger u. Ulf Teichmann (Hrsg.), Gewerkschaften im Gedächtnis der Demokratie. Welche Rolle spielen soziale Kämpfe in der Erinnerungskultur?, Bielefeld 2022, S. 567-588

Zimmermann, Susan, Immer mittendrin. Gewerkschafterinnen und linke Aktivistinnen zwischen Arbeiterbewegung und Frauenbewegung, Berlin u. Boston 2021

Ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Bezirk NRW-Süd (Hrsg.), Argumente statt Parolen. Wir hinterfragen die kruden Positionen der AfD, Berlin 2017 (Online abrufbar)