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Alter Wein in neuen Schläuchen: Die „Rechte“ formiert sich
Deutlich fällt die Abgrenzung der Gewerkschaften von den „rechten“ politischen Bewegungen aus, die sich seit den 1990er Jahren herausbilden, in den Jahren seit 2015 Zulauf erhalten und sich zunehmend miteinander vernetzen.
Gewiss kann man darüber streiten, ob die fremden- und demokratiefeindlichen Gruppierungen, zu denen u.a. Pegida-Anhänger, Rassisten, „Corona-Leugner“, „Reichsbürger“ und Verschwörungs-Ideologen gehören, eine „Neue soziale Bewegung“ bilden. Klar aber ist, dass es sich um eine politische Sammlungsbewegung mit starker Internetpräsenz, Mobilisierungspotenzial und auch Gewaltbereitschaft handelt. In den gemeinsamen Kundgebungen und Demonstrationen sowie in den Bemühungen, auf lokaler und regionaler Ebene alltagskulturelle Dominanz zu erlangen, zeigen sich Anzeichen zur Entwicklung eines eigenen „rechten“ Milieus. Als dessen parlamentarische Vertretung bietet sich die Alternative für Deutschland (AfD) an, die im Sommer 2023 deutliche Zustimmungszugewinne verzeichnen kann.
Die Gewerkschaften lassen in Reden, Publikationen und Kundgebungen, die sie oftmals zusammen mit Vertretern und Vertreterinnen anderer gesellschaftlicher Gruppen und Verbände sowie Kulturschaffenden organisieren, keinen Zweifel an ihrer Ablehnung dieser „rechten“ Bewegungen und der AfD aufkommen. Einen Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Aufklärungsarbeit bildet seit 2016/17 die Widerlegung von Thesen der AfD. Als Ende 2023 die Zustimmungswerte für die AfD deutlich ansteigen und zudem Forderungen bekannt werden, unter dem Stichwort „Remigration“ eine massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte zu planen, geht eine Welle der Empörung durch Deutschland. Zusammen mit politischen Parteien, Kirchen, Kulturverbänden usw. rufen die Gewerkschaften zu Kundgebungen auf, die Anfang 2024 an zahlreichen Orten veranstaltet werden, um für eine liberale Demokratie einzustehen und gegen Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus ein Zeichen zu setzen.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass die politischen Anschauungen der Gewerkschaftsmitglieder offenbar die des Durchschnitts der Gesamtbevölkerung widerspiegeln.
Biegner, Kathrin (Hrsg.: Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk Nordrhein-Westfalen, Argumente gegen Rechtspopulisten. AfD im Fokus, 2. Aufl., Düsseldorf, September 2016 (Online verfügbar)
Stöss, Richard, Gewerkschaften und Rechtsextremismus in Europa, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2017 (Online abrufbar)
Teichmann, Ulf u. Christian Wicke, Alte und Neue soziale Bewegungen. Einleitende Anmerkungen, in: Arbeit Bewegung Geschichte 17, H. 3, S. 11-19
Teichmann, Ulf, Gemeinsame Traditionen? Erinnerungspolitik zwischen Gewerkschaften und Neuen sozialen Bewegungen, in: Stefan Berger, Wolfgang Jäger u. Ulf Teichmann (Hrsg.), Gewerkschaften im Gedächtnis der Demokratie. Welche Rolle spielen soziale Kämpfe in der Erinnerungskultur?, Bielefeld 2022, S. 567-588
Zimmermann, Susan, Immer mittendrin. Gewerkschafterinnen und linke Aktivistinnen zwischen Arbeiterbewegung und Frauenbewegung, Berlin u. Boston 2021
Ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Bezirk NRW-Süd (Hrsg.), Argumente statt Parolen. Wir hinterfragen die kruden Positionen der AfD, Berlin 2017 (Online abrufbar)