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Vietnamesische Arbeiter im Betonwerk Grünauer Strasse in Berlin (Ost) bei der Pause in der Kantine des Betriebes

Befristet und isoliert: Ausländische Arbeitskräfte in der DDR

Auch in der DDR gibt es ausländische Arbeitskräfte, die vor allem aus den „sozialistischen Bruderländern“ wie Polen und Ungarn oder aus befreundeten Ländern der „Dritten Welt“, z.B. aus Mozambique und Vietnam, angeworben werden.

Basis bildet zumeist ein Vertrag zwischen der DDR und dem Herkunftsland. Solche „Staatsverträge“ werden ab 1965 bilateral abgeschlossen. Im Vergleich zur Zahl der ausländischen Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland ist die der Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in der DDR recht niedrig: 1981 beträgt sie 24.000, 1989 dann 94.000.

Die ausländischen Arbeitskräfte haben befristete Arbeitsverträge und Aufenthaltsgenehmigungen, deren Enddatum strikt beachtet wird. Der Nachzug einer Familie ist nicht vorgesehen. Diese Regelungen werden im Juni 1979 gesetzlich festgeschrieben.

In der Produktion helfen die Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter, den Arbeitskräftemangel in der DDR abzumildern, der insbesondere durch die Fluchtbewegungen der 1950er Jahre (bis zum Bau der Mauer am 13. August 1961) entsteht. Eine gesellschaftliche Integration wird nicht angestrebt. So leben die ausländischen Arbeitskräfte vielfach in eigenen Wohnblocks oder Wohnheimen, die zumeist von den Betrieben eingerichtet werden. Dadurch sind sie im Alltag außerhalb der Arbeit von der deutschen Bevölkerung getrennt.

In der Politik des FDGB spielen die ausländischen Arbeitskräfte keine bedeutsame Rolle. Sie sind zur Mitgliedschaft verpflichtet, haben aber keine eigenständige Vertretung im FDGB. Vereinzelt begehren ausländische Arbeitskräfte gegen ihre Arbeits- und Lebensbedingungen in der DDR auf. So streiken z.B. algerische Arbeitskräfte in den 1980er Jahren im Gaskombinat „Schwarze Pumpe“, um Lohnerhöhungen und bessere Ausbildung- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu erhalten sowie darum, aus den betrieblichen Wohnbaracken, in denen jedoch auch DDR-Bürgerinnen und Bürger wohnen, in „normale“ Wohnungen umziehen zu dürfen.

Nach der Deutschen Einheit versucht die Bundesregierung die Staatsverträge und die Arbeitsverträge mit den Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter zu kündigen und die ausländischen Arbeitskräfte in ihre Heimatländer zurückzuführen. Nur eine kleine Anzahl von ehemaligen Vertragsarbeitern und -arbeiterinnen bekommt eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung.

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