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Foto von Demonstrierenden Frauen. 100 Jahre Internationaler Frauentag - DGB-Demontration in München: 'Heute für morgen Zeichen setzen'

Jahrhundertthema: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Jahrzehntelang werden die Interessen der Männer, insbesondere der Facharbeiter, mit größerem Elan vertreten als die der Frauen. Die Gewerkschaften nehmen hin, dass Frauen in wirtschaftlichen Krisenzeiten – etwa nach den beiden Weltkriegen – aus dem Arbeitsmarkt verdrängt werden.

Und in der Tarifpolitik geben sie sich mit niedrigen Löhnen für die Frauen zufrieden, weil sie vielfach un- bzw. angelernte Arbeiterinnen sind und nur „dazuverdienen“. Bis in 1980er Jahre tun sich die von Männern dominierten Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland schwer, die Arbeitsleistung von Frauen gerecht einzustufen: Mal müssen ihre geringe Qualifikation, mal die geringen Anforderungen des Arbeitsplatzes als Grund für die niedrige Eingruppierung herhalten. Und selbst wenn, wie 1974 von der IG Druck und Papier tarifvertraglich vereinbart, die Eingruppierung von Frauen in die untersten Lohngruppen ausgeschlossen wird, wird in der Praxis durch übertarifliche Zulagen für Männer die unterschiedlich hohe Entlohnung fortgeführt. Frauen der Firma Foto-Gruppe Heinze und der Firma Schickedanz klagen mit Unterstützung der IG Druck und Papier gegen diese Praxis. Die Gerichtsurteile aus den Jahren 1981/82 sind Wegmarken auf dem Weg zu gleichen Männer- und Frauenlöhnen.

In der DDR wird zwar die Berufstätigkeit von Frauen mit der Unterstützung des FDGB gefördert. Doch das propagierte Bild der „vollen Gleichberechtigung der Frauen“ stimmt auch hier nicht mit der Realität überein: Eine Analyse der Lohndaten der Produktionsarbeitskräfte und der Hoch- und Fachschulkader vom September 1988 zeigt, dass die Frauen sowohl brutto als auch netto 16 % weniger verdienen als die Männer.

Zwar wird in den Jahren seit der Deutschen Einheit die geschlechtsspezifische Lohndifferenz weiter abgebaut, verschwunden ist sie nicht. Sieht man von den Unterschieden in Qualifikation, ausgeübtem Beruf und Arbeitszeit ab, so erreicht das Einkommen von Frauen – je nach Erhebung – zwischen 75 und 80 % des Einkommens der Männer. Selbst wenn man diese Faktoren berücksichtigt und „nur“ die Tätigkeit selbst betrachtet, liegen die Fraueneinkommen für dieselbe Arbeit – wiederum je nach Erhebung – um zwischen 2 und 10 % unter denen der Männer. Die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung, vielfach diskutiert als Gender Pay Gap, ist nach wie vor ein drängendes Problem, das gelöst werden muss.

WSI GenderDatenPortal: Grafiken zum Gender Pay Gap

 

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Deutscher Gewerkschaftsbund, Abteilung Frauen-, Gleichstellungs- und Familienpolitik (Hrsg.), Keine Lust auf Nebenjobs im Alter?! Rente muss zum Leben reichen - auch für Frauen, Berlin, Dezember 2016

Deutscher Gewerkschaftsbund, Abteilung Frauen-, Gleichstellungs- und Familienpolitik (Hrsg.), Geschlechterperspektive im Arbeitsschutz. Auch Frauen wirksam schützen, Berlin, Juli 2016

Fuhrmann, Uwe, „Frau Berlin“ – Paula Thiede (1870-1919). Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden, Konstanz 2019

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