Quelle: AdsD
Vieles erreicht, noch viel zu tun: Frauen im FDGB und im DGB und seinen Gewerkschaften
In der DDR wird die Erwerbstätigkeit von Frauen von Anfang an gefordert und gefördert. Und da die Mitgliedschaft im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) kaum zu vermeiden ist, entspricht der Frauenanteil an der Mitgliedschaft auch in etwa dem Anteil an der Erwerbsbevölkerung.
In den Führungsgremien sieht es zunächst allerdings ganz anders aus: Von den 1950 gewählten 101 Mitgliedern des Bundesvorstandes sind 21 Frauen, also fast 21 %. 1954 sind es nur noch 19 %. Im neunköpfigen Sekretariat des Bundesvorstandes gibt es 1954 nur eine Frau – und das, obwohl es zu den erklärten Zielen des FDGB gehört, nicht nur den Anteil von Frauen an der Mitgliedschaft, sondern auch in den Führungsgremien des FDGB zu erhöhen. In den folgenden Jahren wächst der Frauenanteil in Führungspositionen nur langsam an, auf – je nach Definition der „Spitzenposition“ – zwischen 10 und 20 %. Erst nach dem erzwungenen Rücktritt von Harry Tisch im November 1989 übernimmt mit Annelies Kimmel erstmals eine Frau die Führung des FDGB. Nach ihrem Rücktritt folgt wieder eine Frau, Helga Mausch, die freilich nur noch bis zur Ablösung des Vorstandes durch einen Sprecherrat am 9. Mai 1990 im Amt bleibt.
In der Bundesrepublik Deutschland hat die Erwerbsarbeit von Frauen zunächst einen relativ geringen Stellenwert. Demgemäß steigt nicht nur ihr Anteil der Frauen an der Zahl der Erwerbstätigen, sondern auch ihr Mitgliederanteil in den Gewerkschaften kaum an: Während der 1950er/60er Jahre stagniert der Mitgliederanteil in DGB und DAG bei 17 bis 18 %. Doch seit den 1970er Jahren wächst er an: auf 21,3 % (1980) und weiter auf 26,1 % (1990). Einen deutlichen Schub erhält er mit der Vereinigung der west- und ostdeutschen Gewerkschaften: 1991 beträgt der Frauenanteil 33,8 %. Seitdem verändert er sich nur wenig: 2022 liegt er bei 34,1 %. Dabei sind die Frauenanteile in den Einzelgewerkschaften, je nach Branche, unterschiedlich hoch. Doch nach wie vor ist der Anteil von Frauen an der Gewerkschaftsmitgliedschaft niedriger als ihr Anteil an der Erwerbsbevölkerung. Dieser liegt 2022 bei 45 %. Zudem sind Frauen in gewerkschaftlichen Führungspositionen, speziell an der Spitze von Einzelgewerkschaften, zunächst nicht oder kaum vertreten. Das beginnt sich erst seit den 1980er Jahren zu ändern, als Monika Wulf-Mathies Vorsitzende der ÖTV wird. Von da an sind die Frauen auf dem Vormarsch: An der Spitze des DGB stehen 2023 Yasmin Fahimi als Vorsitzende und Elke Hannack als Stellvertretende Vorsitzende; zusammen mit Stefan Körzell und Anja Piel bilden sie den Geschäftsführenden Bundesvorstand. Und im Kreis der Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften finden sich 2023 mit Christiane Benner (IG Metall) und Maike Finnern (GEW) zwei Frauen. Aber hier geht gewiss noch mehr.
Biographien
Yasmin Fahimi
Christiane Benner
Maike Finnern
Elke Hannack
Monika Wulf-Mathies
Helga Mausch
Annelies Kimmel
Deutscher Gewerkschaftsbund, Abteilung Frauen-, Gleichstellungs- und Familienpolitik (Hrsg.), Höchste Zeit für Frauen. Arbeitszeit als gleichstellungspolitische Herausforderung, Berlin, Oktober 2016
Deutscher Gewerkschaftsbund, Abteilung Frauen-, Gleichstellungs- und Familienpolitik (Hrsg.), Keine Lust auf Nebenjobs im Alter?! Rente muss zum Leben reichen - auch für Frauen, Berlin, Dezember 2016
Deutscher Gewerkschaftsbund, Abteilung Frauen-, Gleichstellungs- und Familienpolitik (Hrsg.), Geschlechterperspektive im Arbeitsschutz. Auch Frauen wirksam schützen, Berlin, Juli 2016
Fuhrmann, Uwe, „Frau Berlin“ – Paula Thiede (1870-1919). Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden, Konstanz 2019
Fuhrmann, Uwe, Feminismus in der frühen Gewerkschaftsbewegung (1890-1914). Die Strategien der Buchdruckerei-Hilfsarbeiterinnen um Paula Thiede, Bielefeld 2021
Fuhrmann, Uwe, Gewerkschafterinnen in der Erinnerungskultur der Gewerkschaften, in: Stefan Berger, Wolfgang Jäger u. Ulf Teichmann (Hrsg.), Gewerkschaften im Gedächtnis der Demokratie. Welche Rolle spielen sozial Kämpfe in der Erinnerungskultur, Bielefeld 2022, S. 161-185
Gélieu, Claudia von, „Sie kannte nicht den Ehrgeiz, der an erster Stelle stehen will“. Emma Ihrer (1857-1911) zum 150. Geburtstag, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 2007, H. 3, S. 92-104
Haag, Hanna u. Raj Kollmorgen (Hrsg.: Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Politik und Gesellschaft), Demokratie braucht Demokratinnen. Barrieren der politischen Kultur für Frauenkarrieren in Politik und Gewerkschaften – und Ansätze für ihre Veränderung, Berlin 2020 (Online verfügbar)
Kassel, Brigitte, Frauen in einer Männerwelt. Frauenerwerbsarbeit in der Metallindustrie und ihre Interessenvertretung durch den Deutschen Metallarbeiter-Verband (1891-1933), Köln 1997
Losseff-Tillmanns, Gisela, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, Wuppertal 1978
Losseff-Tillmanns, Gisela, Frauen und Gewerkschaft, Frankfurt/M. 1982
Losseff-Tillmanns, Gisela, Ida Altmann-Bronn 1862-1935. Lebensgeschichte einer sozialdemokratischen, freidenkerischen Gewerkschafterin – eine Spurensuche, Baden-Baden 2015
Mielke, Siegfried (Hrsg.), Gewerkschafterinnen im NS-Staat. Verfolgung, Widerstand, Emigration, Essen 2008
Nickel, Hildegard Maria, Paternalistische Gleichberechtigungspolitik und weibliche Emanzipation: Geschlechterpolitik in der DDR, in: Lorenz, Astrid u. Werner Reutter, Ordnung und Wandel als Herausforderungen für Staat und Gesellschaft. Festschrift für Gert-Joachim Glaeßner, Opladen 2009, S. 167-183 (Online verfügbar)
Plogstedt, Sibylle, „Wir haben Geschichte geschrieben“. Zur Arbeit der DGB-Frauen (1945-1990), Gießen 2013
Plogstedt, Sibylle, Mit vereinten Kräften. Die Gleichstellungsarbeit der DGB-Frauen in Ost und West (1990-2010), Gießen 2015
Ross, Sabine, Verhinderter Aufstieg? Frauen in lokalen Führungspositionen des DDR-Staatsapparates der achtziger Jahre, in: Peter Hübner (Hrsg.), Eliten im Sozialismus. Beiträge zur Sozialgeschichte der DDR, Köln, 1999, S. 147-166 (Online verfügbar)
Schneider, Dieter (Hrsg.), Sie waren die Ersten. Frauen in der Arbeiterbewegung, Frankfurt/M. 1988
Stephan, Helga u. Eberhard Wiedemann, Lohnstruktur und Lohndifferenzierung in der DDR. Ergebnisse der Lohndatenerfassung vom September 1988, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 1990/4 (Online verfügbar)
Wiede, Wiebke, Johanna Wolf u. Rainer Fattmann (Hrsg.), Gender Pay Gap. Vom Wert und Unwert von Arbeit in Geschichte und Gegenwart, Bonn-Bad Godesberg 2023
Zimmermann, Susan, Immer mittendrin. Gewerkschafterinnen und linke Aktivistinnen zwischen Arbeiterbewegung und Frauenbewegung, Berlin u. Boston 2021