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Deutschland in Schieflage

Überfällige Organisationsreform: Der DGB wird schlanker

Bereits vor 1990 wurde im DGB über eine Organisationsreform diskutiert. Doch angesichts der Wiedervereinigung wurde sie zunächst auf Eis gelegt. Einen neuen Anlauf startet die ÖTV im Oktober 1993 mit einem Positionspapier, in dem sie den DGB auffordert, sich stärker auf seine Koordinierungsfunktion als Dachverband zu konzentrieren und seine Aufgaben zu straffen. Die unmittelbare Interessenvertretung der Gewerkschaftsmitglieder sei den Einzelgewerkschaften vorbehalten.

Konkret gefordert wird: Der DGB soll sich auf die Kernaufgaben der Gesellschafts- und Sozialpolitik, der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik sowie die Beamten-, Gleichstellungs- und Bildungsfragen konzentrieren. Die Dienst- und Service-Funktionen, speziell beim Rechtsschutz und bei der Öffentlichkeitsarbeit, sollen ausgebaut werden. Die Zahl der DGB-Vorstandsmitglieder soll von acht auf fünf gesenkt werden. Die DGB-Landes- und Kreisvorsitzenden sollen ganz wegfallen und durch Geschäftsführer ersetzt werden. Schließlich solle auch die Delegiertenzahl zu Bundeskongressen deutlich reduziert werden, und zwar von 600 auf 400.

Ganz anders die Vorstellungen, die die Vorstandssekretäre von NGG, IG Medien, HBV, GTB und GHK im Oktober 1995 veröffentlichen: Sie plädieren für eine DGB-Reform „ohne Tabus”. Danach solle der DGB zu einer Mitgliederorganisation umgestaltet werden, und die Einzelgewerkschaften sollen zu Fachorganisationen des DGB werden. Angesichts der Erfahrungen mit dem gerade aufgelösten FDGB ist es nicht verwunderlich, dass dieser Vorstoß wenig Zustimmung findet.

Konzentration der Aufgaben und Verschlankung des Apparats, das ist also die Devise für den DGB. Auf dem 15. Gewerkschaftskongress, der im Juni 1994 in Berlin stattfindet, werden entsprechende Beschlüsse gefasst: Die Organe des DGB werden verkleinert und die Strukturen gestrafft. So gehören dem Geschäftsführenden Bundesvorstand fortan nur noch fünf Mitglieder an, der Bundesausschuss tagt nur noch einmal im Jahr, die Zahl der Bundesausschussmitglieder wird auf 70, die Zahl der Delegierten zum Bundeskongress auf 400 gesenkt. Und die Zahl der Abteilungen in der Vorstandsverwaltung wird von 26 auf 15 reduziert. Dieser Prozess geht Hand in Hand mit einem deutlichen Stellenabbau auf allen Ebenen der DGB-Organisation.

Doch die unterschiedlichen Positionen der Einzelgewerkschaften wirken sich als Handlungsblockade aus. So kann auch der 16. DGB-Kongress 1998 nur den DGB-Bundesausschuss beauftragen, Vorschläge für die Neuverteilung der Aufgaben zwischen Einzelgewerkschaften und Bund zu erarbeiten. Ziel soll sein, dass der Dachverband durch die Konzentration auf die Kernaufgaben gestärkt, die Einzelgewerkschaften durch eine Bündelung der Aufgaben konsolidiert werden.

In einem Positionspapier verständigt sich der DGB-Bundesvorstand im Sommer 1999 darauf, dass der Dachverband künftig stärker die politische Interessenvertretung der Einzelgewerkschaften übernehmen soll. Außerdem soll die Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungsebenen neu bestimmt werden. Zu den Sparplänen des DGB gesellt sich Anfang 2000 die Anregung, die Zahl der Landesbezirke von 12 auf acht zu verringern, die Landesbezirke Saarland und Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sowie Sachsen und Berlin-Brandenburg sollen zusammengefasst werden. Die meisten DGB-Vorsitzenden der (betroffenen) Landesverbände protestieren umgehend. 

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