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Debatte über ein neues DGB-Programm: Umweltschutz gewinnt an Bedeutung
In den 1970er und 1980er Jahren beschleunigt sich der Wandel der Industriegesellschaft: Neue Techniken, insbesondere die Mikroelektronik, verändern Arbeitswelt und Lebensverhältnisse. Die Zerstörung der natürlichen Umwelt erreicht ein Ausmaß, das ein Umdenken und Umsteuern zwingend erforderlich macht. Gefragt sind also Konzeptionen zum sozialen und ökologischen Umbau der Industriegesellschaft.
Keine leichte Situation für die Gewerkschaften. Sie müssen Abschied nehmen von dem in ihren Reihen weitverbreiteten Glauben an den Fortschritt. Sehr unkritisch haben sie technische und wirtschaftliche Weiterentwicklungen als Beitrag zur sozialen Aufwärtsentwicklung verstanden. Mitte der 1970er Jahre, nachdem die Grenzen des Wachstums und die negativen Auswirkungen des technologischen Wandels sichtbar werden, macht sich „Endzeitstimmung” breit. Und weil Gewerkschaften – wie Ernst Breit in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften“ vom Januar 1985 einräumt – in einer Krise „eher dazu neigen, die vorhandenen Arbeitsbedingungen zu verteidigen”, erwecken sie „heute bei oberflächlichen Betrachtern den Verdacht, sich zu einer konservativen Kraft entwickelt zu haben”.
In der Tat tun sich die Gewerkschaften schwer, ihre Positionen zu den neuen Technologien – von der Mikroelektronik bis zur Bio- und Gentechnik – zu bestimmen. Doch die negativen Begleit- und Folgeerscheinungen des Einsatzes der neuen Technik, wie Intensivierung der Arbeit, Flexibilisierung der Arbeitszeiten und vor allem der Verlust von Arbeitsplätzen, lässt die Zustimmung zum Fortschritt schwinden. Ein neues Grundsatzprogramm soll die Gewerkschaften aus dieser Situation befreien.
Mit dem im März 1981 auf dem 4. Außerordentlichen Kongress in Düsseldorf verabschiedeten Grundsatzprogramm bekennt sich der DGB vor allem zur freiheitlich-sozialistischen und zur christlich-sozialen Tradition der Gewerkschaften. Und er leistet einen wichtigen Beitrag zur Neuorientierung der gewerkschaftlichen Politik unter den Bedingungen von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, von Umweltkrise und Rüstungswettlauf. Konkret angesprochen werden Fragen der Vollbeschäftigungspolitik, der Stellung im und zum Sozialstaat, des Einsatzes neuer Technologien und des Umweltschutzes. Traditionelle Forderungen – wie das Recht auf Arbeit, Humanisierung der Arbeitswelt, gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung, Kontrolle wirtschaftlicher Macht und Bildungspolitik – bleiben unverändert zentrale Themen im Grundsatzprogramm. Die Probleme der internationalen Politik, speziell der Einigung Europas, werden ebenfalls angesprochen.
Angesichts der „Roll-back”-Politik der Unternehmer und der ihnen nahestehenden politischen Kräfte versucht der DGB in dem Grundsatzprogramm 1981, das Sozialstaatspostulat des Grundgesetzes und die Funktion der Gewerkschaften im Sozialstaat auf privatkapitalistischer Grundlage realitätsnah zu bestimmen: Gewerkschaften können und dürften sich danach weder allein auf die Funktion als Ordnungsfaktor noch auf die als Gegenmacht reduzieren lassen. Sie haben vielmehr – so steht es in der Präambel – eine doppelte Aufgabe: Sie haben eine Schutz- und Gestaltungsfunktion.
Präambel des DGB-Grundsatzprogramms vom März 1981 (pdf)
Aktionsprogramm 1988
Mit dem Grundsatzprogramm aus dem Jahre 1981 bemühen sich die Gewerkschaften um eine Stellungnahme zu den drängenden Gegenwartsproblemen. Dieses Bemühen kennzeichnet auch das im März 1985 vom DGB-Bundesvorstand verabschiedete Konzept „Umweltschutz und qualitatives Wachstum”, das eine Verknüpfung von ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen bietet.
In diese Richtung weist auch das DGB-Aktionsprogramm, das Ernst Breit am 7. September 1988 der Presse vorstellt: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit einem auf fünf Jahre angelegten Investitionsprogramm von insgesamt 100 Milliarden DM einerseits und Aktivierung der Umweltpolitik andererseits. Das sind die beiden zentralen Themen des Programms, das ansonsten die wichtigsten Forderungen des Grundsatzprogramms in aktualisierter Form aufnimmt. Außerdem schenken die deutschen Gewerkschaften der Frage der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften im Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) sowie im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) besondere Aufmerksamkeit. Dabei steht das Ziel einer sozialen Gestaltung Europas im Vordergrund. Aber auch Fragen der internationalen Solidarität – z.B. mit der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność in Polen und der Bewegung gegen die Apartheid in Süd-Afrika – haben einen hohen Stellenwert in der gewerkschaftlichen Politik.
Doch kaum haben die Gewerkschaften mit ihren Grundsatz- und Aktionsprogrammen Anschluss an die Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft gefunden, stehen sie vor einer völlig neuen Herausforderung: Am 9. November 1989 fällt die Mauer, die Wiedervereinigung Deutschlands ist greifbar nahe.
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