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DGB-Kundgebung gegen die Notstandsgesetze in der Dortmunder Westfalenhalle, 11. Mai 1968

Sozialpolitische Reformen: Das Leben wird besser und einfacher

Trotz Wirtschaftskrise und einer für damalige Verhältnisse hohen Arbeitslosigkeit geht es der Bevölkerung im Westen Deutschlands relativ gut. Arbeiterinnen und Arbeiter sind sozial besser abgesichert und kommen erstmals zu bescheidenem Wohlstand. Kühlschrank und Fernseher sind in fast allen Haushalten vorhanden, jeder zweite ist bereits stolzer Besitzer eines Autos.

Die Rezession 1966/67 zerstört zwar den Traum vom immerwährenden „Wirtschaftswunder”, dennoch verbessern sich die Lebensbedingungen breiter Kreise der Bevölkerung auch in den 1960er und 1970er Jahren. Das ist nicht nur dem weiteren Ausbau der sozialen Sicherungssysteme und der Bildungsreform zu verdanken. Höhere Reallöhne, die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und die Verlängerung des Jahresurlaubs wecken gerade bei Arbeitern und Arbeiterinnen ein neues Lebensgefühl. Zum ersten Mal sind sie sozial abgesichert und verdienen mehr als sie unmittelbar für den Lebensunterhalt brauchen. Sie haben Geld für die Anschaffung auch von langlebigen Konsumgütern und Zeit für ausgedehnte Urlaubsreisen. Zehntausende zieht es jedes Jahr in den Sommermonaten an die Mittelmeerküsten von Italien und Spanien.

Dieser für Arbeiterinnen und Arbeiter ungeahnte „Wohlstand“ spiegelt sich auch in Zahlen wider: Haben 1962 nur 52 Prozent aller Haushalte einen Kühlschrank, so sind es 1973 bereits 93 Prozent. Einen Staubsauger besitzen 91 Prozent (65 Prozent im Jahr 1962), ein Fernsehgerät 87 Prozent (34 Prozent in 1962) und ein Auto 55 Prozent (27 in 1962).

Dank der Möglichkeit der Arbeiterfamilien, an der Freizeit- und Konsumgesellschaft teilzunehmen, gleichen sich ihre Lebensentwürfe und Lebensstile auch immer mehr denen der Angestellten an. Die typischen Arbeiterwohnviertel lösen sich auf, Unterschiede bei der Wohnungseinrichtung oder der Kleidung verschwinden.

Eine gerechtere Verteilung des Produktivvermögens ist damit jedoch nicht verbunden: Anfang der siebziger Jahre besitzen 1,7 Prozent aller Haushalte 74 Prozent des privaten Produktivvermögens.

Hohe Arbeitslosigkeit

Ab Mitte des Jahres 1966 steigt die Arbeitslosigkeit rasch an und erreicht im Februar 1967 mit 673.000 bzw. einer Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent ihren Höchststand. Besonders betroffen sind die ausländischen Arbeitnehmer, deren Zahl im Verlauf der Rezession von 1,3 Millionen auf 900.000 drastisch reduziert wird.

Mit der Wirtschaftsbelebung ab 1968/69 sinkt die Arbeitslosenquote kurzfristig auf rund ein Prozent. Doch mit Beginn der weltweiten wirtschaftlichen Krise 1972 steigt sie wieder an: von 1,1 auf 2,6 Prozent im Jahr 1974.