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Massenaussperrungen als Arbeitgeberwaffe : 1971: Der große Metall-Tarifkonflikt
Die IG Metall Nordbaden-Nordwürttemberg kündigt zum 30. September 1971 ihre Tarifverträge und fordert eine Lohnerhöhung von 11 Prozent. Das ist der Auftakt zu einem der heftigsten Tarifkonflikte seit Ende des Zweiten Weltkrieges.
Unvereinbar sind die Positionen der beiden Seiten: In der ersten Verhandlungsrunde legen die Arbeitgeber gar kein Angebot vor, später erklären sie, mehr als eine Erhöhung von 4,5 Prozent sei nicht drin. Am 17. Oktober 1971 erklären die Tarifparteien das Scheitern der Verhandlungen, es kommt zur Schlichtung. Doch die Arbeitgeber lehnen den Schlichtungsspruch vom 2. November, der eine Erhöhung von 7,5 Prozent bei einer Laufzeit von 7 Monaten vorsieht, ab. Die IG Metall, die den Schlichterspruch akzeptiert hat, ruft ihre Mitglieder zur Urabstimmung auf. 89,6 Prozent sprechen sich für Streik aus.
In den folgenden Tagen kommt es zu zahlreichen Schwerpunktstreiks: Am 22. November legen etwa 55.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei Daimler-Benz, Audi-NSU und bei Graubremse Heidelberg die Arbeit nieder. Am 23. November folgen dann weitere 60.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in 76 Betrieben. Darauf beschließen die Arbeitgeber, Belegschaften in großem Umfang auszusperren. Am 26. November 1971 wird über 530 Betriebe die Aussperrung verhängt. Betroffen sind 304.823 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hinzukommen etwa 100.000 Beschäftigte, vor allem in der Automobilindustrie, die durch die „kalte” Aussperrung in den Konflikt mit hineingezogen werden.
Verschärft wird diese Situation durch die Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit, gemäß § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juli 1969 keine Unterstützung an nur mittelbar betroffene Arbeitnehmer zu zahlen. Im Erlass vom 22. November 1971 heißt es, dass „nach allgemeiner Erfahrung” davon auszugehen sei, dass auch diese Arbeitnehmer von den Ergebnissen des Streiks profitieren würden.
Am 2. Dezember 1971 kassiert der Verwaltungsrat der Bundesanstalt diese Entscheidung und bewilligt die Zahlung von Arbeitslosen- bzw. Kurzarbeitergeld an die „kalt“ Ausgesperrten. Diese Entscheidung wird allerdings vom Landessozialgericht Baden-Württemberg am 27. November 1972 als rechtswidrig eingestuft. Weitere Schlichtungsversuche, auch die Intervention des Bundeskanzlers, bleiben zunächst ohne Erfolg.
Doch die IG Metall gibt nicht auf. Und der Protest gegen die Aussperrung wird lauter. Allein in Stuttgart demonstrieren am 8. Dezember 45.000 Arbeitnehmer gegen die Politik der Arbeitgeber. Nur zwei Tage später, am 10. Dezember, einigen sich IG Metall und Arbeitgeber: Löhne und Gehälter werden um 7,5 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten erhöht. Für die Monate Oktober bis Dezember wird eine Pauschalsumme von 180 DM (netto) gezahlt. Außerdem wird das 13. Monatsgehalt bis zu 40 Prozent des Monatseinkommens tariflich abgesichert.
Das Ergebnis findet bei 71,2 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder Zustimmung. Und auch die Arbeitgeber betrachten den Ausgang des Arbeitskampfes als Erfolg. In einer am 15. Dezember veröffentlichten Zeitungsanzeige der Metallindustriellen heißt es: „Unser Dank gilt besonders den betroffenen Firmen, die die Belastungen des Arbeitskampfes auf sich genommen haben. Aber es hat sich für alle Betriebe gelohnt: Das Ergebnis liegt unter den vorausgegangenen Einigungsvorschlägen. [. . .] Die Gesamtbelastung der Unternehmen beträgt bei einer Laufzeit von 15 Monaten etwa 7 Prozent. Die 15 Monate Laufzeit geben der Metallindustrie eine vernünftige Kalkulationsbasis und bringen die notwendige Ruhe in dieser konjunkturpolitisch so schwierigen Zeit.”
Durch den Arbeitskampf gingen insgesamt 4.138.000 (nach amtlicher Angabe) bzw. 5.130.000 (nach gewerkschaftlicher Angabe) Arbeitstage verloren. Die Produktionseinbußen werden auf zwei Milliarden Mark geschätzt.
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