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Im Westen: Debatte über neue Wirtschaftsordnung
Der Neuanfang in der Wirtschaft ist schwer. Die Alliierten wollen gemeinsam die „übermäßige Wirtschaftskraft“ Deutschlands vernichten, Betriebe werden demontiert und die Reparationsleistungen an die Siegermächte, insbesondere an die Sowjetunion, sind hoch. Doch die Einheit Deutschlands scheitert letztlich an den Vorstellungen, wie ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aussehen soll.
Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr/Sommer 1945 am Boden: Betriebe sind zerstört, Rohstoffe fehlen, die Arbeitskräfte sind ausgelaugt und die Währung verfällt. Zahlreiche „Wirtschaftsführer“ sind wegen ihrer Verstrickung ins nationalsozialistische Herrschaftssystem verhaftet oder untergetaucht. Die rasch wieder ins Leben gerufenen Betriebsräte versuchen das Schlimmste zu verhindern. Dank ihres Engagements kann vielerorts die Produktion wieder anlaufen und die Versorgung der Arbeitnehmer mit lebensnotwendigen Gütern verbessert werden.
Die Voraussetzungen dafür sind nicht einfach. Im Potsdamer Abkommen vom August 1945 einigen sich die Alliierten auf die „Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft” Deutschlands. Auf dieser Basis werden in den westlichen Besatzungszonen z.B. Großunternehmen wie Krupp und IG Farben beschlagnahmt und entflochten. Außerdem können sich die Besatzungsmächte für die im Krieg entstandenen Schäden durch die Demontage deutscher Industrieanlagen, aber auch durch Waren aus der laufenden Produktion entschädigen.
Parallel zu den wirtschaftspolitischen Eingriffen der Alliierten in ihren jeweiligen Besatzungszonen beginnt eine Debatte über die künftige Wirtschaftsordnung. In der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) ist diese Frage von Anfang an entschieden: Besatzungsmacht und SED wollen die Enteignung von Großlandwirtschaft und Großindustrie. Zwangskollektivierung und Planwirtschaft lassen in der SBZ und dann DDR ein Wirtschaftssystem entstehen, das sich am Modell der Sowjetunion orientiert.
Auch in den westlichen Besatzungszonen gibt es zunächst eine starke Tendenz, die Macht der Großkonzerne zu beschneiden. Sie gelten als mitschuldig für den Aufstieg und die Kriegspolitik des „Dritten Reiches“. Diese Grundstimmung prägt auch die 1946 verabschiedeten Länderverfassungen von Bayern, Bremen und Hessen, in denen jeweils die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum vorgesehen ist.
Ja zur Sozialen Marktwirtschaft
Doch angesichts der Politik in der SBZ und des amerikanischen Einflusses in den Westzonen verengt sich der Handlungsspielraum für eine Neugestaltung der Wirtschaftsordnung im Westen zusehends. Die CDU akzeptiert 1947/48 den Kurs der amerikanischen Politik und tritt für einen baldigen Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung ein. Die Marshallplan-Hilfe und die Währungsreform ebnen 1948 den Weg zum wirtschaftlichen Aufstieg in den Westzonen. Die theoretische Begründung dafür bietet unter anderem das von Ludwig Erhard (CDU) entwickelte Konzept der Sozialen Marktwirtschaft.
Angesichts dieser unterschiedlichen Vorstellungen über eine zukünftige Wirtschaftsordnung, entwickeln sich die Wirtschaftssysteme in West und Ost auseinander. Doch gemeinsam ist beiden Systemen: Die Kriegsschäden sollen möglichst rasch beseitigt, die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Das gelingt: Die Produktion in Industrie und Landwirtschaft kann gesteigert werden, erreicht aber in West wie Ost noch lange nicht den Vorkriegsstand.
In den Westzonen kommt der Produktionsanstieg auch der Bevölkerung zugute. In SBZ hingegen verbessert sich die Lage der Bevölkerung wegen der fortlaufenden Demontagen und Reparationen zugunsten der Sowjetunion nur in begrenztem Ausmaße.