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Arbeitslose auf dem Arbeitsamt, Februar 1933

Arbeitsmarktpolitik der Nazis: "Zum Wohle von Volk und Staat"

Den Arbeiterfamilien geht es in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Diktatur besser als zum Ende der Weimarer Republik. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne sind stabil und die Versorgungslage ist auch in den ersten Kriegsjahren gesichert. Die Eingriffe der Nationalsozialisten in die demokratischen Rechte und die Zerschlagung der Gewerkschaften werden widerstandslos hingenommen.

Kaum an der Macht, setzen die Nationalsozialisten die Sozialordnung der Weimarer Demokratie außer Kraft. Gewerkschaften und Betriebsräte werden zerschlagen. Mit dem Gesetz über die Treuhänder der Arbeit wird im Mai 1933 die Tarifautonomie beseitigt. Mit der Deutschen Arbeitsfront (DAF) wird eine soziale und politische Propaganda- und Erziehungsagentur geschaffen, die vor allem in die Arbeitnehmerschaft hineinwirken soll. Im Februar 1935 wird das Arbeitsbuch für Arbeiter und Angestellte eingeführt, das zur Reglementierung des Arbeitsmarktes und vor allem zur Kontrolle des Arbeitsplatzwechsels und damit zur Vorbereitung des „Arbeitseinsatzes“ während des Krieges dient.

Kernstück der nationalsozialistischen Arbeitsmarktgestaltung ist das am 20. Januar 1934 verabschiedete „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit” (AOG). Dieses Gesetz basiert auf dem Grundgedanken einer Interessenharmonie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, der in der Idee der Volks- und Betriebsgemeinschaft als einer Leistungsgemeinschaft seinen Ausdruck findet. In § 1 heißt es dort: „Im Betriebe arbeiten der Unternehmer als Führer des Betriebes, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat.” Der „Führer des Betriebes” habe, so § 2, „für das Wohl der Gefolgschaft zu sorgen. Diese hat ihm die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten.”

Arbeitslosigkeit sinkt

Parallel zu den Eingriffen in die Sozialordnung starten die Nationalsozialisten ein Arbeitsbeschaffungsprogramm, dessen Ziel es ist, durch den Bau von Autobahnen und Flughäfen die Transportwege für den geplanten Krieg zu sichern. Der Nebeneffekt: die Zahl der Arbeitslosen sinkt, ab 1936/37 herrscht Vollbeschäftigung. Die Arbeitnehmer haben, trotz des 1933 verordneten Lohnstopps, die Chance, individuelle Lohnerhöhungen durchzusetzen.

Die Kehrseite der forcierten Kriegsvorbereitung ist eine Verlängerung der Arbeitszeit: War sie krisenbedingt 1932 nahezu auf durchschnittlich 40 Stunden pro Woche abgesunken, so steigt sie schon in der Vorkriegszeit auf 48 Stunden (1939) an.

Struktur der Arbeiterschaft

Während des Krieges verändert sich die Struktur der Erwerbstätigen dramatisch: Um die von der Wehrmacht benötigten Männer in der Industrie zu ersetzen, werden Jugendliche und ältere Männer, Kriegsversehrte und Frauen zur Industriearbeit verpflichtet. Kriegsgefangene und Häftlinge aus den Konzentrationslagern werden in Industrie und Landwirtschaft eingesetzt, Zivilisten aus dem Ausland werden zunächst angeworben, dann zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verschleppt.

Der hohe Ausländeranteil in der Produktion „hebt“ die Stellung der deutschen Arbeiter in den Betrieben. Die „Dreckarbeit” wird vielfach den Fremdarbeitern überlassen, deutsche Facharbeiter rücken angesichts des Zustroms von ungelernten Arbeitskräften zu Vorarbeitern auf. Viele sehen sich selbst als Angehörige des „Herrenvolkes” in einer Führungsrolle.

Versorgung zunächst stabil

Die Versorgungslage der deutschen Bevölkerung ist in den ersten Kriegsjahren stabil. Erst mit dem Rückzug der deutschen Truppen, der nach der Schlacht bei Stalingrad im Januar 1943 an allen Fronten einsetzt, bekommt die deutsche Bevölkerung die Folgen des Krieges zu spüren. Das Elend der Kriegerwitwen, Waisen und Ausgebombten wächst, die Versorgung mit den lebensnotwendigen Gütern wird knapp. Und die Arbeitsbedingungen in den Betrieben werden rauer: Die Arbeitszeit steigt auf bis zu 60 Stunden pro Woche an, und jede Form der Leistungszurückhaltung wird als „Bummelantentum“ verfolgt und bestraft.

Die Situation der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen ist katastrophal. Am schlechtesten geht es den Kriegsgefangenen und den Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern aus der Sowjetunion und Polen sowie Juden und „Zigeunern“: Bei der Arbeit ausgebeutet, untergebracht in Lagern und schlecht versorgt, sind sie vielfach der „Vernichtung durch Arbeit“ ausgeliefert.

Millionen auf der Flucht

Die Niederlagen an der Front, die Bombardierung der Städte und die allgegenwärtige Bespitzelung sorgen für ein Klima der Resignation und Hoffnungslosigkeit. Zwar begehren Einzelne trotz der damit verbundenen Risiken durch unangepasstes Verhalten wie Bummelei, Krankfeiern oder Meckern auf, doch zu einer explosiven Stimmung wie während des Ersten Weltkrieges kommt es nicht.

Am Ende des Krieges sind Deutschland und Europa ein Trümmerfeld. Millionen Soldaten, Flüchtlinge und Vertriebene, befreite Häftlinge, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter irren durch Europa auf der Suche nach ihren Familien. Die Wirtschaft liegt darnieder. Die Währung ist zerrüttet.

Und die Verantwortung für Vernichtungskrieg und Massenmord der Deutschen lastet schwer.