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Autobahnbau, 1938

Der wirtschaftliche Aufschwung ab 1933 verfängt: Soziale Situation in der Vorkriegszeit

Mögen weite Kreise der Arbeitnehmerschaft auch dem Wortgeklingel der Nazi-Propaganda skeptisch gegenübergestehen, die im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs verbesserte Lebenssituation mag sie über die politische und gewerkschaftliche Entrechtung hinwegtrösten.

Ist es nicht, so fragen sich viele, ein Verdienst der nationalsozialistischen Politik, dass die Zahl der Arbeitslosen von 5,6 Millionen im Jahre 1932 auf 4,8 Millionen im Jahre 1933 zurückgeht? Wer kann schon die propagandistische Schönung der Arbeitslosenstatistik durchschauen? 
Die Ausdehnung des Freiwilligen Arbeitsdienstes, der bald zum Pflichtarbeitsdienst ausgebaut wird, und die Aufstockung der Notstandsarbeiten lassen 1933/34 die Arbeitslosenzahlen sinken, obgleich die Zahl der abhängig Beschäftigten nicht ansteigt, sondern von 18,7 (1932) auf 18,5 Millionen (1933) zurückgeht. Die Lage entspannt sich, weil die geburtenschwachen Kriegsjahrgänge auf den Arbeitsmarkt kommen. Demgegenüber ist der Erfolg der Arbeitsbeschaffungsprogramme, die mit großem Propaganda-Aufwand verkündet werden, relativ gering. 

Überdies muss beachtet werden, dass schon die Arbeitsbeschaffung, die nicht nur bei manch zeitgenössischem Beobachter geradezu Bewunderung erweckt, nach Hitlers Worten im Februar 1933 eindeutig dem Ziel der „Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes” dienen soll. Und zu denken sollte geben, dass erst mit den Rüstungsprogrammen ab 1934/35 die Arbeitslosigkeit überwunden wird. Im Jahre 1936 sind die Rüstungsausgaben doppelt so hoch wie die zivilen Investitionen. Davon profitieren nicht nur Großkonzerne wie die Hermann-Göring-Werke, sondern auch eine Vielzahl kleiner Zulieferbetriebe. Und auch die Konsumgüterindustrie verzeichnet wegen der höheren Kaufkraft eine stärkere Nachfrage.

Seit 1937 kann man wohl generell von Vollbeschäftigung sprechen. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt unter eine Million. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre herrscht in zentralen Bereichen der Rüstungsindustrie, insbesondere in der Metallverarbeitung, Facharbeitermangel. Dies führt dazu, dass die Erwerbsarbeit von Frauen, die in der nationalsozialistischen Propaganda verpönt ist, deutlich ansteigt. „Moralischer” Druck, aber auch sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen haben 1933/34 zunächst den Frauenanteil an der Erwerbsbevölkerung sinken lassen, doch mit der aufgeheizten Rüstungskonjunktur und der entsprechenden Verknappung von Arbeitskräften greifen Staat und Industrie, wie immer wieder in der Sozialgeschichte, auf die Frauen als „Reservearmee” zurück.

Lohnentwicklung

Für große Teile der Arbeitnehmerschaft bringen die späten dreißiger Jahre eine Verbesserung ihrer materiellen Lebenssituation. Vor allem die Vollbeschäftigung bietet den Arbeitnehmern, trotz des 1933 verordneten Lohnstopps, die Chance, mit einer „Lohnpolitik auf eigene Faust” (D. Peukert) individuell Lohnerhöhungen zu erreichen. Ermöglicht wird dies durch individuelle Leistungssteigerung oder aber durch Arbeitsplatzwechsel. Im Jahre 1937 erreichen die Reallöhne das Vorkriegsniveau.

Arbeitszeit

Die Kehrseite der forcierten Kriegsvorbereitung ist eine Verlängerung der Arbeitszeit: Sie liegt 1932 krisenbedingt bei durchschnittlich 40 Stunden pro Woche und steigt schon in der Vorkriegszeit auf 48 Stunden (1939) an, um dann im Krieg mit bis zu 60 Stunden pro Woche den 1938 mit der Arbeitszeitordnung gezogenen Rahmen voll auszuschöpfen. 

Nach dieser Arbeitszeitordnung, die später auch noch lange in der Bundesrepublik Deutschland gültig ist, darf die regelmäßige Arbeitszeit acht Stunden pro Tag bzw. 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten. Allerdings kann die Arbeitszeit durch Tarifordnung (dann: Tarifvertrag) auf bis zu zehn Stunden täglich verlängert werden, wobei für Überstunden ein Zuschlag von 25 Prozent zum normalen Lohn zu zahlen ist.

Arbeiterleben

Die Erholung des Arbeitsmarktes und die verbesserten Einkommensmöglichkeiten führen zu einer „Normalisierung“ der Lebensverhältnisse weiter Kreise der Bevölkerung, eben auch der Arbeiterschaft. Diese Entwicklung wird vielfach umso positiver eingeschätzt, als sie auf die tiefe Depression der Weltwirtschaftskrise folgt. 

Hinzu kommen Verbesserungen der sozialen Situation, die zwar den bevölkerungs- und rüstungspolitischen Zielen des Regimes folgen, die aber für die Betroffenen doch oftmals als Ausdruck des „sozialen Wollens“ der neuen Machthaber interpretiert werden: Zu denken ist an die finanzielle Förderung der Familien durch Ehestandsdarlehen und Kindergeld. Hierher gehört auch die zunehmende Ausbreitung des Anspruchs auf einen mehrtägigen Jahresurlaub auch für Arbeiter und Arbeiterinnen. Hinzu kommen die vor allem von Kraft durch Freude (KdF) ergriffenen Maßnahmen, mit denen auch Arbeiterinnen und Arbeitern neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung erschlossen werden – bis hin zur (organisierten) Urlaubsreise. Außerdem werden das Arbeitsumfeld und die Wohnsituation verbessert. 

Doch all diese Maßnahmen ändern nur wenig daran, dass die Charakteristika des Arbeiterlebens erhalten bleiben: Körperlichkeit der Arbeit und Unterordnung im Betrieb, beengte Wohnverhältnisse und Kargheit der alltäglichen Lebensführung kennzeichnen nach wie vor das Arbeiterleben. Daran ändern weder die Maßnahmen der betrieblichen Sozialpolitik noch der Ausbau des öffentlichen Wohnungs- und Siedlungsbaus noch die langsame Verbesserung der Einkommenssituation etwas.

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