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Käthe Kollwitz: „Brot“, Titelblatt der Zeitschrift „Volk und Zeit“, 1. Mai 192

Das Leiden ist unermesslich: Anfang der 30er Jahre: Sechs Millionen ohne Arbeit

Die Arbeiterfamilien sind – wie immer – die Hauptleidtragenden der Wirtschaftskrise. Wer noch Arbeit hat, muss mit deutlich weniger Lohn auskommen, wer ohne Arbeit ist, leidet bittere Not. Die Maßnahmen der Regierung, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, kommen zu spät und sind halbherzig.

Nur wenige Jahre dauert die „Blütezeit” der Weimarer Republik, dann macht die Weltwirtschaftskrise alle Hoffnungen der Arbeiterfamilien auf bessere Lebensbedingungen wieder zunichte. Im Jahrbuch des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes von 1932 wird die Situation so beschrieben: „Die Leiden der Arbeitslosen sind unermeßlich. Der Verlust an äußerem Lebensglück, der Kampf mit der wirtschaftlichen Not ist vielleicht nicht einmal das Schlimmste. Die Zerstörung körperlicher, geistiger und sittlicher Arbeitskraft und damit des inneren Lebensglückes der Arbeitslosen und deren Angehörigen ist entsetzlich. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto mehr steigert sich die Depression und Passivität, die Kriminalität wächst in bedrohlichem Maße.”

Auch Käthe Kollwitz, die mit ihren Bildern und Zeichnungen zur Chronistin dieser Zeit wird, gibt diesem „Lebensgefühl” Ostern 1932 in ihrem Tagebuch Ausdruck: „Dann die unsagbare schwere allgemeine Lage. Die Not. Das Heruntersinken der Menschen in dunkle Not. Die politische widerwärtige Verhetzung.”

 

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Not: Arbeitslos oder unter Hungerlöhnen leidend, treffen die steigenden Lebensmittelpreise die Ärmsten. Auszug aus einem SPD-Film Anfang 1930er Jahre.

© AdsD, Filmsammlung

Arbeitslosigkeit, steigt, Reallöhne sinken

Zahlen sind nüchterner, als solch bewegende Zitate. Aber sie belegen, wie viele Menschen ohne Arbeit sind: Die Arbeitslosigkeit wächst von 8,5 Prozent im Jahr 1929 auf 29,9 Prozent im Jahr 1932 an. Den Höchststand erreicht sie im Februar 1932 mit über sechs Millionen Arbeitslosen.

Die Arbeitslosigkeit unter den Gewerkschaftsmitgliedern ist noch dramatischer. Sie klettert in der Weltwirtschaftskrise 1930 von 22,2 Prozent auf 43,7 Prozent im Jahr 1932.

Auch wer noch eine Arbeitsstelle hat, muss deutliche Einkommensverluste hinnehmen: Die Notverordnungen der Regierung Brüning führen zu schmerzhaften Einbußen bei den Reallöhnen.

Der Export bricht ein, die Binnennachfrage sinkt und die Produktionsstätten sind nicht ausgelastet. Das hat Auswirkungen auf die Arbeitszeit. Hatten die Unternehmen die wöchentliche Arbeitszeit bis 1925 angesichts der guten konjunkturellen Entwicklung durch Überstunden auf 49,5 Stunden hochgefahren, geht sie jetzt in der Weltwirtschaftskrise auf 41,5 Stunden zurück.

Dennoch sind die Unternehmer nicht bereit, die Forderung der Gewerkschaften nach Einführung der 40-Stunden-Woche tariflich zu vereinbaren. Es ist jedoch fraglich, ob eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu diesem Zeitpunkt noch hätte positiv beeinflussen können.