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Bild von BVG-Streikposten 1932

"Für einen sozialen Volksstaat": Christliche Gewerkschaften: Ja zur Republik

Die programmatische Antwort auf die Weltwirtschaftskrise mit ihren wirtschaftlichen und politischen Folgen geben die Christlichen Gewerkschaften auf dem Kongress vom September 1932. Darin bekennen sie sich deutlich wie nie zuvor zur Weimarer Republik.

Vorbereitet wird diese Entscheidung mit dem Referat des Vorstandsmitglieds Jakob Kaiser über den „volkspolitischen und nationalen Willen der christlichen Gewerkschaften”. In den Begriffen wie „Volkstum”, „volklich”, „national” bis hin zu „Blut und Eisen”, die Kaiser verwendet, findet sich viel Zeitkolorit, das heute befremdet. Außerdem lehnt Kaiser die „mechanische westlerische Demokratie” ab und wendet sich gegen die „Formaldemokratie”. Eine Weiterarbeit an der Verfassung mag er jedoch nur akzeptieren, wenn die Grundlage für einen „sozialen Volksstaat erhalten bleibt”. Diese Grundlage beruht für ihn „auf der politischen und sozialen Gleichberechtigung und Gleichwertung aller Deutschen, aller Schichten und Stände”.

Aufwind für berufsständische Ideen

Auf dem selben Kongress zeigt sich eine Rückkehr zu berufsständischen Ideen, für die Theodor Brauer, der bekannteste Theoretiker der Christlichen Gewerkschaften, mit dem Rückenwind der Enzyklika Papst Pius XI. „Quadragesimo anno” vom Mai 1931 wirbt. Brauer entwickelte auf dem Düsseldorfer Kongress sein Konzept zur berufsständischen Gesellschaftsreform. Deutlich wie kaum zuvor distanziert er sich dabei von ständischen Programmen, „hinter denen [. . .] ausgesprochene Gegnerschaft gegen die Demokratie lauert”. Auch sieht er sich zu einer zeitgemäßen Interpretation des „veralteten Begriffs des Berufsstandes” genötigt. Berufsstand „im heutigen Sinne” könne nur sein: „Die Gesamtheit aller derjenigen, die in einem Produktionszweig zusammenarbeiten und durch diese Zusammenarbeit eine Gesamtleistung hervorbringen.”

Damit ist – genau besehen – die traditionelle Berufsidee, die ebenso handwerklich geprägt wie wertbeladen ist, zu Gunsten des Gewerbezweiges als Strukturelement der Wirtschaft aufgegeben worden. Nur die Begriffs-Hülse bleibt erhalten. An sie klammern sich die Christlichen Gewerkschaften – auch auf die Gefahr hin, in eine sozialreaktionäre und antidemokratische Nachbarschaft zu rücken, sind doch die Grenzen zwischen ständestaatlichen und berufsständischen Ordnungsvorstellungen fließend. Für die Christlichen Gewerkschaften aber zählt wohl vor allem, dass von den „ehrwürdigen” Begriffen eine Faszination ausgeht, die über die Mängel konkreter inhaltlicher Füllung hinwegtäuschen kann und wohl auch soll. Die Idee des berufsständischen Aufbaus wird zum Allheilmittel in der Krise der 1930er Jahre stilisiert, was das Fehlen ausgereifter Reformkonzepte nur mühsam verdeckt.

Angesichts der Propagierung berufsständischer Ideen muss überlegt werden, ob nicht derartige Aussagen indirekt zu einer Schwächung der Weimarer Demokratie beigetragen haben. In der Politik der Christlichen Gewerkschaften liegt gewiss eine Unterschätzung des Machtwillens und -anspruchs der Nationalsozialisten, mit der sie sich indessen nicht grundsätzlich von den Freien Gewerkschaften unterscheiden. Wohl aber hat das Bemühen der Christlichen Gewerkschaften, durch eigenes nationales Pathos dem Nationalsozialismus das Wasser abzugraben oder ihn durch Beteiligung an der Regierung zu „zähmen”, unter Umständen dazu beigetragen, die NSDAP „hoffähig” zu machen.

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Zum Artikel "Vereinigungsdebatte": Ulrich Borsdorf, Hans O. Hemmer u. Martin Martiny (Hrsg.), Grundlagen der Einheitsgewerkschaft. Historische Dokumente und Materialien, Köln u. Frankfurt/M.1977, S.196 ff.