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Revolution: Aufständische vor dem Berliner Schloss, 1918

Kaiser Wilhelm II. dankt ab: Turbulente Zeiten nach der Revolution

Nach dem Aufstand der Matrosen in Kiel überschlagen sich die Ereignisse: Binnen weniger Tage schwappt die Protestbewegung auf alle deutschen Großstädte über. Kaiser Wilhelm II. dankt ab, der Rat der Volksbeauftragten unter Führung von Friedrich Ebert übernimmt das Ruder und verkündet ein „sozialistisches“ Regierungsprogramm.

In diesem Programm vom 12. November 1918 erfüllt die Revolutionsregierung, die sich aus je drei Vertretern der Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) und der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) zusammensetzt, zentrale Forderungen der Gewerkschaften: Der Achtstundentag für Arbeiter und Arbeiterinnen wird eingeführt, Tarifverträge werden rechtsverbindlich und die Arbeitgeber sind verpflichtet, aus dem Krieg heimkehrende Soldaten wiedereinzustellen. Auch die Entlassung von Arbeitnehmern wird erschwert. Gekündigt werden kann nur noch, wer nicht auf Erwerb angewiesen ist und bei Kriegsbeginn nicht erwerbstätig war. Eine Regelung, die zuallererst die Frauen trifft, die während des Krieges für die Produktion angeworben wurden.

Gleichzeitig verpflichtet sich die Regierung, „die geregelte Produktion” aufrechtzuerhalten und „das Eigentum gegen Eingriffe Privater sowie die Freiheit und Sicherheit der Person [zu] schützen”. In dem Abkommen vom 15. November 1918 werden die Gewerkschaften als offizielle Vertreter der Arbeitnehmer anerkannt.

„November-Abkommen“ von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vom 15. November 1918 (pdf)

Heillos zerstritten

Doch diese Fortschritte im Interesse der Arbeiternehmerschaft können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rat der Volksbeauftragten und die sozialistische Bewegung heillos zerstritten sind. Auf dem Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte vom 16. bis 19. Dezember 1918 in Berlin befürwortet die große Mehrheit der Delegierten (etwa 400 gegen 50) die Wahl zur Nationalversammlung und erklärt sich damit bereit, ihre Macht an ein Parlament abzutreten. Wenige Tage später zerbricht der Rat der Volksbeauftragten. Nachdem Friedrich Ebert das Militär aufgerufen hat, gegen die Meuterei der Volksmarinedivision am 24. Dezember 1918 in Berlin einzuschreiten, verlassen die Vertreter der USPD die Revolutionsregierung. Gustav Noske und Rudolf Wissell – beide von der MSPD – übernehmen ihre Positionen. Kurz darauf lässt Noske den Januaraufstand unter Einsatz eines Freikorps niederschlagen, am 15. Januar werden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch Freikorps-Männer ermordet.

Mit der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) am 1. Januar 1919 wird der Riss, der durch die sozialistische Arbeiterschaft geht, weiter vertieft. Erst 1922 „klärt“ sich die Situation. Die Mehrheit der USPD-Mitglieder schließt sich der KPD an, die meisten Angehörigen der Minderheit gehen zurück zur SPD und stärken deren linken Flügel.

 

Video

In München schließen sich Arbeiter und Bauern zusammen, um einen bayerischen "Freistaat" zu schaffen. Die Revolution scheitert. 

© Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Wahl zur Nationalversammlung

Die Anhänger von MSPD und USPD erwarten bei den Wahlen zur Nationalversammlung einen klaren Sieg. Umso größer ist der Schock, als am 19. Januar 1919 das Stimmenergebnis bekannt wird: MSPD und USPD erreichen – selbst zusammengenommen – nicht die absolute Mehrheit. Allerdings wären sie angesichts der politischen Differenzen wohl ohnehin nicht in der Lage gewesen, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Daher kommt es unter der Führung von Philipp Scheidemann zur „Weimarer Koalition“ aus MSPD, Zentrum und DDP.

Die Erwartungen an die neue Regierung sind groß. Sie soll die Folgen des I. Weltkrieges mindern, den nachrevolutionären Bürgerkrieg beenden und eine gesellschaftliche Reformpolitik einleiten. Doch nur knapp fünf Monate später zerbricht die Regierung an der Frage, ob sie dem Versailler Vertrag zustimmen soll. Der Sozialdemokrat (und Gewerkschafter) Gustav Bauer übernimmt die Regierungsgeschäfte, der Versailler Vertrag wird unterzeichnet. Bürgerlich-nationalistische Kreise lehnen das „Schanddiktat” strikt ab, die Unterzeichner dieses „Schmachfriedens” werden als „Erfüllungspolitiker” verunglimpft.

Die Weimarer Verfassung

Mit der Unterzeichnung der Reichsverfassung durch Friedrich Ebert am 11. August 1919 ist die Revolution beendet, das Deutsche Reich wird eine parlamentarische Republik. Die Verfassung garantiert Grundfreiheiten und Grundrechte, eine Reihe von sozialen Bestimmungen zum Aufbau einer demokratischen und sozialen Republik werden auf den Weg gebracht.

Weimarer Reichsverfassung 11. August 1919 (pdf)

Doch die Verfassung hat Schwächen: Die Kompetenzen sowohl zwischen Reich und Bundesländern, als auch zwischen Parlament und Reichspräsident sind unausgewogen. Hinzu kommt, dass wichtige soziale Bestimmungen nicht eingelöst werden. Das gilt z.B. für die Gemeinwohlverpflichtung des Privateigentums, die Möglichkeit der Enteignung, die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsrechts und für die Umsetzung umfassender Mitspracherechte der Arbeitnehmer. Weitere Konflikte sind vorprogrammiert.

Auch einige Reformen der Regierung sind heftig umstritten. So wird am 4. Februar 1920 das Betriebsrätegesetz nach heftigen Protesten gegen die Stimmen der USPD und der rechts-bürgerlichen Abgeordneten im Reichstag verbschiedet.

Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 (pdf)

 

Hören: Friedrich Ebert

Rede des Reichspräsidenten nach der Verabschiedung der Weimarer Verfassung: "Der neue Lebensgrundsatz des deutschen Volkes: Freiheit, Recht und soziale Wohlfahrt..."

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Schicksalsjahre

Aus Enttäuschung über den Verlauf der Revolution kommt es in den ersten Jahren zu zahlreichen Unruhen, die mal von „links“, mal von „rechts“ angezettelt werden und in manchen Regionen zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Im Frühjahr 1919 revoltieren die Anhänger der Räterepublik im Ruhrgebiet, in Bremen, in Mitteldeutschland und in München. Die Aufstände werden mit militärischer Gewalt niedergeschlagen. Im März 1920 versuchen nationalistische Kreise die Macht (Kapp-Lüttwitz-Putsch) zu übernehmen. Ein Generalstreik zwingt die Putschisten zur Aufgabe.

Im Jahr 1923 besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, um die Reparationsleistungen zu sichern, die Regierung pumpt massenhaft Geld in die Region, um den „passiven Widerstand“ zu fördern. Am 13. August 1923 übernimmt eine Große Koalition (SPD, Zentrum/BVP, DDP und DVP) unter der Führung von Gustav Stresemann das Ruder.  Sie beendet den passiven Widerstand an der Ruhr, setzt die von KPD und SPD gebildeten Linksregierungen in Thüringen und Sachsen unter Einsatz von Militär ab und zerschlägt den kommunistischen Aufstand in Hamburg.

Der Hitler-Putsch in München am 9. November 1923 scheitert, doch die wachsende Gefahr von rechts ist nicht gebannt.

Die vielen Unruhen haben massive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die deutsche Währung ist am Boden, die Inflation galoppiert. Erst mit der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 beginnt eine Phase relativer Stabilität.