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Arbeiterinnen bei der Artillerieherstellung

Wirtschaft unter staatlicher Kontrolle: Umrüsten für den Krieg

Die Rüstungsindustrie boomt, die Produktion von Versorgungsgütern wird zurückgefahren. Dies führt 1915 zu ersten Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung. Und die Inflation galoppiert nachdem die Reichsbank die Notenpresse angeworfen hat, um den Krieg zu finanzieren.

Um den Nachschub an Waffen und Munition für das Militär zu gewährleisten, arbeiten militärische Stellen und Privatwirtschaft eng zusammen. Schon im August 1914 wird im Kriegsministerium eine Kriegsrohstoffabteilung eingerichtet. Sie soll private Aktiengesellschaften unter staatlicher Aufsicht gründen, um den Bedarf an Rohstoffen, Waffen und Versorgungsgütern zu decken. Kriegswichtige Wirtschaftsbereiche, wie die deutschen Chemieproduzenten, werden zusammengeschlossen, eine Zentral-Einkaufsgesellschaft soll wichtige Rohstoffe aus dem neutralen Ausland für Industrie und Landwirtschaft beschaffen. Die zunehmende staatliche Kontrolle der Wirtschaft wird von manchen Zeitgenossen – mal zustimmend, mal kritisch – als „Staatssozialismus“ eingestuft.

Doch die Rechnung, durch die Begrenzung der Verbrauchsgüterproduktion genügend Arbeitskräfte für den Frontdienst freisetzen zu können, geht nicht auf. Angesichts des Mangels an Arbeitskräften werden daher ab 1916 zunehmend Jugendliche, Frauen und Kriegsgefangene zur Arbeit herangezogen.

Gleichzeitig verschlechtert die Reduzierung der Verbrauchsgüterproduktion die Versorgungslage breiter Kreise der Bevölkerung, insbesondere in den Großstädten. Die Nahrungsmittel werden knapp, schon im Januar 1915 müssen, etwa in Berlin, Brot und andere Lebensmittel rationiert werden. Um der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung entgegenzuwirken, wird im Mai 1916 unter Einbeziehung von Gewerkschaften das Kriegsernährungsamt gegründet. Es soll dafür sorgen, dass die Nahrungsmittel zwischen den Regionen gerechter verteilt werden.

Die Umstellung der Friedens- auf die Kriegsproduktion verläuft nicht reibungslos. Offensichtlich nutzen einige Betriebe die Chance, um unliebsame Gewerkschaftsmitglieder loszuwerden. So schnellt der Prozentsatz arbeitsloser Gewerkschaftsmitglieder von 2,9 im Jahre 1913 auf 7,2 Prozent im Jahr 1914 hoch, bevor er ab 1915 wieder langsam zurückgeht: Von über 3,2 (1915) auf 2,2 (1916), 1,0 (1917) und schließlich 0,8 Prozent im Jahr 1918.

Galoppierende Inflation

Die Umstrukturierung der Wirtschaft reicht aber nicht aus, um den Bedarf zu decken – weder an der Front, noch in den Rüstungsbetrieben, die ab Sommer 1916 die Produktion von Waffen und Munition noch einmal deutlich verstärken. Um den Engpässen entgegenzusteuern, führt das Deutsche Reich im Dezember 1916 die Arbeitspflicht ein (Hilfsdienstgesetz). Betriebe der Verbrauchsgüterindustrie, später auch kriegswichtige Betriebe, werden stillgelegt, um Arbeitskräfte zum Kriegsdienst einziehen zu können.

Ende 1916 spitzt sich die Lage dramatisch zu: Transportengpässe, Kohlekrise und Nahrungsmittelknappheit führen in den Städten zu einer katastrophalen Versorgungssituation. Die „Hungerproteste“ der Bevölkerung nehmen zu und breiten sich im „Steckrübenwinter“ 1916/1917 dramatisch aus.

Finanziert wird der Krieg zum einen über Steuererhöhungen, zum anderen über die Auflage von Kriegsanleihen. Als dies nicht reicht, wirft die Reichsbank die Notenpresse an. Die Folge: Die Inflation galoppiert, die Preise steigen und die Einkommen der Arbeiterhaushalte sinken – eine Entwicklung, die sich auch nach dem Ende des 1. Weltkrieges fortsetzt. 1923 – bevor die Reichsmark endgültig zusammenbricht – explodiert der Preis für einen Liter Milch binnen weniger Wochen von 5,4 Millionen auf 360 Millionen Mark.