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Engpässe in der Versorgung: Not an der Heimatfront wächst
Engpässe in der Versorgung und eine galoppierende Inflation verschlechtern die Lebensbedingungen der Bevölkerung dramatisch. Insbesondere in den Städten leiden die Menschen unter dem Mangel an Nahrungsmitteln und Kohle. Im „Steckrübenwinter“ 1916/1917 kommt es zu „Hungerprotesten“ gegen die Regierung.
Bereits zu Beginn des Jahres 1915 bekommt die Bevölkerung an der „Heimatfront“ die Folgen es Krieges zu spüren. In Ballungsgebieten, wie etwa in Berlin, werden Brot, Fett, Fleisch und Milch rationiert. In der zweiten Kriegshälfte dann werden neben Lebensmitteln auch Arzneimittel, Heizmaterial und Kleidung knapp. Und der Schwarzmarkt blüht. Doch Arbeiterfamilien können dort kaum etwas erwerben, da sie keine Güter haben, die sie zum Tausch anbieten können. Diese „ungleiche Verteilung der knappen Güter” wirke – so heißt es in einem Polizeibericht – „auffallender und aufreizender in der Bevölkerung als die Knappheit der Güter selbst”.
Der „Steckrübenwinter“ 1916/17 brennt sich ins kollektive Gedächtnis der Stadtbevölkerung ein. Angesichts knapper Lebensmittel wird die Steckrübe zum wichtigsten Nahrungsmittel der Bevölkerung. Verbitterung und Enttäuschung der leidenden Kriegswitwen und -waisen, der Kriegsversehrten und Arbeiterfamilien machen sich breit, die Sehnsucht nach Frieden wächst. In zahlreichen deutschen Städten gehen die Menschen auf die Straße, um gegen die Hungersnot zu protestieren, wichtige Rüstungsbetriebe werden bestreikt. Diese Proteste verstummen nicht. Sie bereiten den Boden für die November-Revolution 1918, die Kaiser Wilhelm II. zur Abdankung zwingt. Rund 800 000 Menschen sterben während des 1. Weltkrieges an Hunger und Unterernährung.
Männer zur Front – Frauen in die Betriebe
Die Einberufungen zum Militär und der Ausbau der Rüstungsproduktion verändern die Belegschaften in den Betrieben dramatisch. Die Zahl der Männer, die in Industrieunternehmen mit über 10 Beschäftigten arbeiten, nimmt während des Krieges um ein Viertel ab, die Zahl der Frauen steigt um etwa 50 Prozent. Gleichzeitig werden immer mehr un- und angelernte Arbeitskräfte sowie Arbeiter unter 16 Jahren eingestellt. In der zweiten Kriegshälfte werden auch Kriegsgefangene zur Arbeit herangezogen, und zwar überwiegend in der Landwirtschaft, aber zu etwa einem Drittel auch in der Industrie.
Die Beschäftigtenzahlen in der chemischen und der elektrotechnischen Industrie, im Maschinenbau und in der Metallverarbeitung steigen. Aber die Fluktuation der Arbeitskräfte ist enorm. So muss zum Beispiel Siemens-Schuckert seine Belegschaft von Kriegsbeginn bis Mitte 1917 achtmal erneuern.
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
Und natürlich: Der Krieg hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in den Betrieben. Um den Anforderungen der Rüstungsindustrie Rechnung zu tragen, wird die tägliche Arbeitszeit verlängert und der Maschinentakt erhöht. Wer nicht spurt oder gar streikt, dem droht die „Freistellung“ für den Dienst an der Front.