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Ein Bild von Karl Kautsky

Unmut über Burgfrieden wächst: Gewerkschaften zwischen den Fronten

Der auch von den Gewerkschaften oft beschworene „Geist des Schützengrabens” erweist sich rasch als Illusion. Angesichts der Niederlagen an den Fronten, der Versorgungsengpässe und Wucherpreise auf dem Schwarzen Markt zeigt die deutsche „Volksgemeinschaft” ihr anderes Gesicht. Gleichzeitig lässt das von den Gewerkschaften ersehnte Entgegenkommen der Arbeitgeber, speziell der Groß- und Rüstungsindustrie, auf sich warten.

Diese beharren darauf, dass allein sie im Unternehmen das Sagen haben.  Jakob Wilhelm Reichert, der Hauptgeschäftsführer des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, begründet den unternehmerischen Führungs- und Herrschaftsanspruch in der Vorstandssitzung seines Verbandes am 16. November 1916 so: „Ebenso wenig wie der Oberst sich im Schützengraben auf Verhandlungen mit seinen Soldaten einlassen kann, ebenso wenig dürfen die Arbeiter eine Entscheidung über die grundlegenden Betriebsfragen erhalten.” 

Nur in den Branchen, die von Klein- und Mittelbetrieben geprägt sind, wächst das Ansehen der Gewerkschaften. Diese Unternehmen sind schon in der Vorkriegszeit zum Abschluss von Tarifverträgen bereit. Jetzt, nach Ausbruch des Krieges, hoffen sie die Gewerkschaften als Fürsprecher für ihre Interessen zu gewinnen, um bei der Umstrukturierung der Wirtschaft zugunsten der Rüstungsindustrie nicht unterzugehen.

Erste Zugeständnisse

Doch dieser bedingungslose Führungsanspruch der Unternehmer in den Großbetriebe lässt sich in Kriegszeiten nicht durchhalten. Schon seit Herbst 1914 herrscht in einzelnen Zweigen der Rüstungsindustrie Facharbeitermangel. Mit dem Ziel, eine einvernehmliche Regelung für die Sicherung des Arbeitskräftebedarfs zu finden, bilden 1915 Metallindustrielle und Metallgewerkschaften den „Kriegsausschuss für die Metallbetriebe Groß-Berlins”. Dieses paritätisch besetzte Gremium von Arbeitgeber- und Arbeitervertretern soll die Streitfälle entscheiden, die auf Betriebsebene nicht geregelt werden können.

In der Folgezeit werden auf Betreiben militärischer Stellen mehrere solcher Kriegsausschüsse eingerichtet, z. B. in der Metallindustrie Hannovers und Frankfurts. Die Heeresführung hat offensichtlich erkannt, dass eine reibungslose Rüstungsproduktion nur gewährleistet ist, wenn man die Gewerkschaften einbindet. Die Gewerkschaften ihrerseits interpretieren diese Form der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern als Erfolg ihres Burgfriedens-Kurses, obwohl bis zum Herbst 1916 keine weiteren Sozialreformen in Sicht sind. Arbeitgeber, Militär und Regierung machen nur die Zugeständnisse, die nötig sind, um die Gewerkschaften auf Burgfriedens-Kurs zu halten.

Als der Krieg ins dritte Jahr geht und das Deutsche Reich immer noch keine Anstalten macht, Sozialreformen auf den Weg zu bringen, wird der Ton der Gewerkschaften rauer. Eindringlich warnen sie Anfang 1916 vor einem möglichen Ende der Burgfriedenspolitik: Die Unterstützung der deutschen Kriegsanstrengungen entspreche, „den vitalsten Gewerkschaftsinteressen, sie sichert die Fernhaltung jeder feindlicher Invasion, sie schützt uns vor der Zerstückelung deutschen Gebietes und vor der Vernichtung blühender deutscher Wirtschaftszweige, sie schützt uns vor dem Schicksal eines unglücklichen Kriegsschlusses, der uns auf Jahrzehnte hinaus mit Kriegsentschädigungen belasten würde.”

„Zersetzungsbestrebungen der deutschen Sozialdemokratie“ im „Correspondenzblatt“ vom 15. Januar 1916 (pdf)

Flugschrift der Generalkommission zur Erläuterung der gewerkschaftlichen Kriegspolitik vom Mai 1916 (pdf)

Der Streit um das Hilfsdienstgesetz

Die Appelle wirken. Im Sommer 1916 legt die 3. Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff in Absprache mit Vertretern der Schwerindustrie ein Programm zur Ankurbelung der Rüstungsproduktion vor, das auf die Mobilisierung aller Arbeitskräfte zielt. Schon in den Regierungsberatungen und in der Abstimmung mit den Parteien setzt sich Wilhelm Groeners Ausfassung durch, dass der Krieg nicht „gegen die Arbeiter zu gewinnen” sei. Dem Leiter des Preußischen Kriegsamtes, ist klar: „Ohne die Gewerkschaften können wir die Sache” – gemeint ist das Hilfsdienstgesetz – „nicht machen”.

Dennoch bringen die Richtungsgewerkschaften während der Beratung im Reichstag noch zahlreiche Änderungen ein. Mit Zustimmung der SPD und des linken Flügels der Nationalliberalen wird das Gesetz nachgebessert, ohne jedoch das Grundanliegen zu verändern. Trotzdem bleibt das Hilfsdienstgesetz bei der SPD-Reichstagsfraktion umstritten: Bei der internen Abstimmung lehnen 21 von 49 Fraktionsmitgliedern den Gesetzentwurf ab, bei der Abstimmung im Reichstag entzieht sich ein Drittel der SPD-Abgeordneten der Fraktionsdisziplin.

Auch die Freien Gewerkschaften stehen dem Hilfsdienstgesetz nicht so einmütig und wohlwollend gegenüber wie dies ein Blick auf die Publikationen der Generalkommission glauben macht. Während einer Vertrauensmänner-Versammlung der Metallarbeiter Groß-Berlins und einigen Generalversammlungen des Schuhmacher- und des Holzarbeiterverbandes kommt es zu massiven Protesten. Andere Gliederungen von Gewerkschaften hätten sich vielleicht angeschlossen, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten.

Kernpunkte des Hilfsdienstgesetzes

Das Hilfsdienstgesetz, verabschiedet am 2. Dezember 1916, verpflichtet jeden männlichen Deutschen zwischen dem 17. und dem 60. Lebensjahr eine Arbeit aufzunehmen, soweit er nicht zum Militärdienst eingezogen ist. Gleichzeitig wird die Wahlfreiheit, wo jemand arbeiten will, aufgehoben. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes ist nur noch mit Genehmigung eines paritätisch besetzten Schlichtungsausschusses möglich.

Diesen Eingriffen in die Grundrechte der Arbeitnehmer stehen auf der anderen Seite gegenüber: Die obligatorische Einrichtung von Arbeiterausschüssen in kriegswichtigen Betrieben mit mehr als 50 Arbeitern, die Bildung von Angestelltenausschuss in Betrieben mit über 50 Angestellten und die Einrichtung von Schlichtungsausschüssen. Damit werden die Gewerkschaften erstmals als rechtmäßige Vertretung der Arbeitnehmerschaft anerkannt, ihre Vertreter rücken in alle Schieds- und Einigungsämter auf – bis hinauf zum Kriegsamt.

Aufruf der Generalkommission vom 8. Dezember 1916 zur Erläuterung ihrer Stellung zum Hilfsdienstgesetz (pdf)

Arbeitgeber der Schwerindustrie sind von dem Hilfsdienstgesetz alles andere als begeistert. Das „Gewerkschafts-Hilfsgesetz”, wie es von ihnen provokativ genannt wird, sei „ein unter dem Kriegszwange geschaffenes Ausnahmegesetz [. . .], für dessen Fortbestehen mit Friedensschluß selbstverständlich kein Anlaß mehr vorliegt”. Deshalb sei es müßig, die Frage zu erörtern, ob das Gesetz „den Zweck, den man mit ihm erreichen wollte, nämlich den einer Vermehrung der Rüstungsproduktion durch vermehrte Zuführung von Arbeitskräften und Verminderung des Arbeiterwechsels, wirklich erreicht hat.” (Denkschrift der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vom März 1918). In der Tat ist der kriegswirtschaftliche Erfolg des Gesetzes eher bescheiden: Angesichts geringer Reserven bleibt der Facharbeitermangel bestehen, die starke Fluktuation in den Betrieben kann nur für einen kurzen Zeitraum eingedämmt werden. 

Aus Sicht der Gewerkschaften ist das Hilfsdienstgesetz ein Erfolg, auch wenn die Ausführungsbestimmungen und die Auslegung einzelner Passagen nach der Verabschiedung durch das Parlament noch zu heftigen Kontroversen führt. Besonders strittig ist die Frage, wie die Arbeiter- und Angestelltenausschüsse gegründet werden sollen. Dennoch wird das Hilfsdienstgesetz als Fortschritt eingeschätzt. Zum ersten Mal werden die Gewerkschaften vom Staat offiziell als Interessenvertretung der Arbeiterschaft anerkannt und die Mitarbeit in den Arbeiter- und Schlichtungsausschüssen eröffnet ganz neue Möglichkeiten, mit den Arbeiterinnen und Arbeitern in Kontakt zu treten. Die Gewerkschaften versprechen sich dadurch rasch steigende Mitgliederzahlen, insbesondere in den Großbetrieben, zu denen sie bis dato kaum Zugang haben.

Aufruf der Generalkommission vom 8. Dezember 1916 zur Erläuterung ihrer Stellung zum Hilfsdienstgesetz (pdf)

Erst nach und nach werden die Schattenseiten des Hilfsdienstgesetzes klar: Den neuen Arbeiterausschüsse sind oftmals „ihre“ Betriebe wichtiger als die Entwicklung einer Branche und so mancher Unternehmer versteht es glänzend, Arbeiterausschüsse und Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen. So sind sie, etwa in Lohnverhandlungen mit den Arbeitsausschüssen, häufig schneller zu Kompromissen bereit und machen damit Gewerkschaften scheinbar überflüssig.

Und es zeigt sich: Die Arbeiterausschüsse sind näher dran an den Problemen der Arbeiter als die Gewerkschaftsvorstände. Sie sehen jeden Tag, wie sich schlechte Arbeitsbedingungen und die katastrophale Versorgungslage auf ihre Kollegen auswirken. Während die Gewerkschaftsführungen im Rahmen des Hilfsdienstes eng mit Staat, Militär und Arbeitgebern zusammenarbeiten, schließen sich immer mehr Arbeiterausschüsse der Protestbewegung an.

Gemeinsame Erklärung aller Gewerkschaften zum Hilfsdienstgesetz vom 12. Dezember 1916 (pdf)

Die offizielle Anerkennung der Gewerkschaften hat ihren Preis: Sie lassen sich mehr und mehr in das Herrschaftssystem des Wilhelminischen Kaiserreichs einbinden. Sie übernehmen Mitverantwortung, obwohl sie keinen Einfluss auf die Richtlinien der Politik haben. Zwar sind sie bemüht, die schlimmsten sozialen Auswirkungen des Krieges abzumildern, doch die Erfolge dieser Politik sind bescheiden. Die Folge: Die Kluft zwischen Gewerkschaftsführung und Teilen der Arbeiterschaft wird immer größer.

Die Folgen der „Umarmungspolitik“ des Staates zeigt sich besonders deutlich bei der Lebensmittelversorgung. Je länger der Krieg dauert, desto katastrophaler wird die Ernährungssituation. Im Mai 1916 zieht die Regierung die Konsequenzen. Das Kriegsernährungsamt wird eingerichtet, mit dem Auftrag die Lebensmittelbewirtschaftung zu koordinieren. Der Sozialdemokrat August Müller und der Christliche Gewerkschafter Adam Stegerwald werden in den Vorstand berufen und bekommen damit eine Mitverantwortung für die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung.

So ist es nicht erstaunlich, dass sich die Proteste während der Hungerunruhen 1916/17 nicht nur gegen den Staat sondern auch gegen die Gewerkschaften richten. Und diese sind sehr bemüht, die Proteste der Arbeiterschaft zu kanalisieren. Die Aufrufe, die die Freien Gewerkschaften seit Sommer 1916 veröffentlichen, sprechen eine deutliche Sprache. Mit wachsender Dringlichkeit mahnen sie die Protestierenden und Streikenden, die Erfolge der Burgfriedenspolitik nicht zu gefährden und auch die rüstungswirtschaftlichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen.

Aufruf von Generalkommission und SPD-­Vorstand vom 25. Juli 1916 (pdf)

Rundschreiben der Generalkommission an die Zentralvorstände vom 23. April 1917 zu den Streiks (pdf)

Stellungnahme der Verbandsvorstände vom 1. Februar 1918 zu den Streiks (pdf)

Fazit: Alle Richtungsgewerkschaften lassen sich durch die Mitwirkung in den militär- und versorgungswirtschaftlichen Ausschüssen und Ämtern in die Kriegspolitik einbinden. Sie sehen in jeder Aufgabe, die ihnen zur Mitentscheidung übertragen wird, einen Erfolg ihrer Burgfriedenspolitik und ein Anzeichen für das Umdenken der führenden Vertreter von Staat, Militär und Arbeitgebern. Die zunehmenden staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft – von der Rohstoffbewirtschaftung über die Arbeitsmarktregulierung bis zur Versorgungspolitik – werten die Gewerkschaften durchaus positiv als „Staats-” oder „Kriegs-Sozialismus” (Metallarbeiter-Zeitung November 1916). Aus heutiger Sicht eine eklatante Fehleinschätzung, ging es doch vor allem darum, den reibungslosen Ablauf der Rüstungswirtschaft zu sichern.

Je länger der Krieg dauert, desto schlechter wird die Versorgungslage der Bevölkerung. Und die Proteste der Arbeiterschaft nehmen zu. Die Gewerkschaften erkennen, dass sie endlich ernsthafte Sozialreformen durchsetzen müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit bei den Arbeitern nicht verlieren wollen. 1916 bzw. 1917/18 formulieren Christlich-nationale und Freie Gewerkschaften daher ihre Grundsatzprogramme, in denen die Forderungen an den Staat zusammengefasst sind.

Im September 1916 veröffentlicht der Ausschuss des Deutschen Arbeiterkongresses den Entwurf eines Grundsatzprogrammes, um den Mitgliedern der christlich-nationalen Arbeiterorganisation die Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben. In dem Programm bekennen sich die angeschlossenen Verbände „rückhaltlos zur Kultur- und Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes”, zur „Erhaltung einer starken Wehrkraft” und zur „nationalen Notwendigkeit” einer Weltwirtschafts- und Kolonialpolitik ebenso wie zum Privateigentum und zur Monarchie. Gefordert werden Maßnahmen zur Herstellung der Gleichberechtigung der Arbeiter, zum Arbeiterschutz, zur Versicherung, zur Lebensmittelversorgung, zur Wohnungsreform und zur Steuerpolitik. Über das Programm soll allerdings erst nach Ende des Krieges abgestimmt werden.

Dieses Programm diene – so Franz Behrens in seiner Programm-Erläuterung – zur Selbstvergewisserung und damit zugleich zur Abgrenzung von der Sozialdemokratie. Denn als deren Anhänger 1914 „gleich den übrigen in den Kampf zogen und ihren Mann so gut gestanden haben wie die anderen”, da sei die Frage nach der Daseinsberechtigung der christlich-nationalen Arbeiterbewegung aufgetaucht. Sicherlich könnten christlich-nationale und sozialdemokratische Arbeiterbewegung von Fall zu Fall zusammenarbeiten, doch darüber dürften die grundsätzlichen Unterschiede – die Stellung zu Christentum, „Volksgesamtheit” und Privateigentum – nicht vergessen werden.

Im November 1917 bzw. Januar 1918, ziehen die Freien Gewerkschaften nach. Sie legen ein Programm mit einem 18-Punkte-Forderungskatalog zu allen Fragen der Sozialreform vor. Hier werden die Vorstellungen der Freien Gewerkschaften zu Arbeitsvermittlung, Tarifvertragsrecht und Versicherungswesen ebenso entwickelt wie die zu Arbeiterschutz, Volkserziehung und Wohnungswesen.

Parallel dazu kooperieren die Freien Gewerkschaften auch während des Krieges mit Gewerkschaften aus mit Deutschland verbündeten oder neutralen Ländern: Bei Konferenzen in Stockholm (Juni 1917) und Bern (Oktober 1917) erheben sie gemeinsam mit Gewerkschaftern u.a. aus Bulgarien, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden, der Schweiz und Ungarn ihre Forderungen nach einer grundsätzlichen Sozialreform, die nach dem Krieg international umgesetzt werden sollen. Dazu zählen die Beschlüsse zu Koalitionsrecht, Freizügigkeit, Arbeitsvermittlung, Arbeiterschutz, Heimarbeit und vielem mehr.

Doch trotz politischer Meinungsverschiedenheiten arbeiten die Richtungsgewerkschaften in einer Reihe von Einzelfragen gut zusammen, etwa beim Arbeitsnachweis, dem Heimarbeiterschutz, dem Hilfsdienstgesetz und der Forderung nach Streichung des § 153 aus der Gewerbeordnung. Die Angestelltenorganisationen versuchen unter dem Druck des Krieges, ihre Organisationsmacht zu bündeln. 1915 bilden sich die Arbeitsgemeinschaft technischer Verbände und die Arbeitsgemeinschaft für einheitliches Angestelltenrecht, aus der der Allgemeine freie Angestelltenbund (AfA-Bund) hervorgeht, und im Oktober 1916 schließen sich die bürgerlich-nationalen Organisationen zur Arbeitsgemeinschaft kaufmännischer Verbände zusammen.. Angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage, der Gehaltseinbußen und der Lebensmittelnot beginnen auch die drei Arbeitsgemeinschaften der Angestelltenorganisation ab Mitte 1917 enger zusammenzuarbeiten. Deutlichster Ausdruck der Bereitschaft der Richtungsgewerkschaften zur politischen Zusammenarbeit ist die gemeinsame Gründung des „Volksbundes für Freiheit und Vaterland”.

„Ein Kriegsjahr“ im Correspondenzblatt vom 7. August 1915 (pdf)
Resolution des Volksbundes für Freiheit und Vaterland vom 7. Januar 1918 (pdf)

Die Annäherung der Richtungsgewerkschaften wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit der ihnen nahestehenden politischen Parteien im Reichstag aus: Nachdem die interfraktionelle Kooperation bei den Beratungen über das Hilfsdienstgesetz erfolgreich geprobt wurde, verabschieden Mehrheitssozialdemokratie, Zentrum und Fortschrittspartei gemeinsam die Friedensresolution vom 19. Juli 1917. Darin fordern sie, den Krieg ohne Gebiets- oder Reparationsansprüche zu beenden.

Trotz der Burgfriedenspolitik und trotz der gelegentlichen „Gemeinschaftsarbeit” ist die Bilanz der Gewerkschaftspolitik auch in der zweiten Kriegshälfte dürftig: Am 5. Juni 1916 wird gegen die Stimmen der Konservativen und der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft, die sich von der SPD-Fraktion abgespalten hat, eine Novelle des Reichsvereinsgesetzes verabschiedet. Damit wird die Möglichkeit eingeschränkt, Gewerkschaften zu „politischen Vereinen” zu erklären und unter Sonderrecht zu stellen. Mit dem Hilfsdienstgesetz werden die Gewerkschaften als Vertretung der Arbeiterschaft offiziell anerkannt. Im Mai 1918 schließlich wird § 153 der Gewerbeordnung ersatzlos gestrichen, der den Koalitionszwang seitens der Gewerkschaften unter Strafe stellte, Behinderungen der Koalitionsfreiheit seitens der Arbeitgeber aber nicht verfolgte. Die Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts wird mit der Osterbotschaft Kaiser Wilhelms II. vom 7. April 1917 auf die Zeit nach dem Kriege verschoben.

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