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Ein Bild von Adelheid Popp

Arbeiterhaushalt im Kaiserreich: Zusammenleben auf engstem Raum

Zum Arbeiterhaushalt zählen in den meisten Fällen Eltern und Kinder. Die Kinder bleiben im Haus und tragen mit ihrem Lohn zum Familieneinkommen bei, bis sie entweder eine eigene Familie gründen oder wegen des Arbeitsplatzes den Heimatort verlassen.

Wenn die Jungen eine Lehre absolvieren, wohnen sie entweder zu Hause oder aber in einem Lehrlingswohnheim. Sie ziehen aus, wenn sie eine Arbeitsstelle in der Fabrik oder den Militärdienst antreten. Mädchen bzw. junge Frauen gehen vielfach direkt nach dem Abschluss der Volksschule „in Stellung“ und wohnen fortan als Hausmädchen in einer fremden Familie. Oder sie gehen in die Fabrik – in beiden Fällen solange, bis sie heiraten und eine eigene Familie gründen.

Exemplarisch schildert das die Autobiographie von Adelheid Popp: Jugend einer Arbeiterin. Da die Eltern vielfach davon ausgehen, dass die Mädchen ohnehin bald heiraten, lohnt sich eine Berufsausbildung nicht. Diese Ansicht ist weit verbreitet, obwohl doch absehbar ist, dass viele Arbeiterfrauen nach der Zeit der Kindererziehung oder wegen Erkrankung bzw. Arbeitslosigkeit des Ehemannes wieder erwerbstätig werden.

Die Wohnverhältnisse in den Städten beengt, da sich mehrere Familien eine Wohnung teilen müssen oder ganze Familien in einem Zimmer zusammenleben. Waschen kann man sich nur über dem Ausguss in der Küche. Die Toiletten sind auf halber Treppe zwischen den Stockwerken und stehen den Bewohnern von mehreren Geschossen zur Verfügung. Wenn die Arbeiterfamilie nicht selbst als Untermieter wohnt, dann nimmt sie oftmals Untermieter auf, um die Mietkosten tragen zu können. Manche der Untermieter sind „Schlafgänger“, d.h. sie haben keinen Anspruch auf ein Zimmer, sondern nur auf eine Schlafstelle, die sie sich manchmal mit anderen – im Schichtbetrieb – teilen. Wenn die Familie zudem Heimarbeit leistet, wurde die Enge der Wohnung noch bedrückender.

Besonders deutlich machen die „Trockenwohner“ das Elend der Wohnversorgung. Manche Familien, die sich keine reguläre Unterkunft leisten können, ziehen für 6 bis 9 Monate in ein frisch gebautes Haus, dessen Wände noch feucht sind. Sie bezahlen eine relativ niedrige Miete, müssen aber ausziehen, sowie die Wohnung trocken und damit zu höherer Miete vermietet werden kann. Viele „Trockenwohner“ erkranken, Lungenentzündungen und Gelenkerkrankungen sind an der Tagesordnung.

Zum Kennzeichen der Wohnsituation der Arbeiter in den Großstädten wird die „Mietskaserne“: Mehrstöckig, mit mehreren Hinterhäusern, die nur durch enge Hinterhöfe getrennt sind, werden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Wohngebäude hochgezogen, deren Besitzer aus ihrer Investition eine möglichst hohe Rendite ziehen wollen. Ausgehend von der direkten Umgebung der großen Fabriken bilden sich erste Arbeiterviertel heraus, in denen auf engem Raum bald Tausende Arbeiter und Arbeiterinnen leben.

Manche der Fabrikbesitzer bauten Werkswohnungen, manchmal – wie Krupp – ganze Siedlungen, um die Fluktuation der Arbeiter einzudämmen. Günstiger als für die Masse der Industriearbeiter sah die Wohnsituation für die Bergarbeiter aus: Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Bergmannssiedlungen. Dazu gehörten kleine Reihenhäuser und ein Stück Garten, in dem die Bergleute Obst und Gemüse anbauen und kleine Tiere, z.B. Kaninchen und eine „Bergmannskuh“, die Ziege, halten konnten.

Sozialer, also staatlich geförderter Wohnungsbau war noch unbekannt. Und der genossenschaftliche Wohnungsbau begann um die Jahrhundertwende erst seinen Aufstieg.

Frauen kochen, waschen, putzen

Für die Versorgung der Arbeiterfamilien sind natürlich die Frauen zuständig, egal ob sie berufstätig sind oder nicht. Sie kaufen ein, kochen, waschen und putzen. Nur grobe Arbeiten, wie etwa der Anbau von Gemüse und Obst und häusliche Reparaturen, sind Aufgaben des Mannes.

An Werktagen gibt es mittags, wenn Frau und Kinder zu Hause sind, eine warme Mahlzeit. Hat der Mann im Betrieb keine Möglichkeit, ein warmes Essen zu bekommen, dann wird sie auf den Abend verlegt. Doch Kantinenessen im Betrieb ist die Ausnahme. In den meisten Fällen bekommt der Mann ein Brotpäckchen oder „Henkelmann“ mit auf den Weg, in dem sich Essensreste vom Vortag befinden.

Gekocht werden Eintöpfe mit Kartoffeln und Hülsenfrüchten, Kohl und Rüben, manchmal auch mit einem Stück Speck. Fleisch gibt es allenfalls am Sonntag. Das Frühstück besteht aus Graubrot, bestrichen mit Margarine und Marmelade. Dazu gibt es Malzkaffee und für die Kinder, wenn das Geld reicht, Milch. Abends gibt es Brot mit Margarine oder Schmalz sowie Käse und Wurst. Bier gilt vielfach als Zusatznahrungsmittel, manchmal auch als „Würzmittel“ im auf die Dauer doch eintönigen Speiseplan. Am Sonntag kommt noch der Nachmittagskaffe hinzu, der oftmals, weil Kaffee zu teuer ist, aus Ersatzkaffee besteht. Ein Stück Blech- oder Napf-Kuchen ist der Höhepunkt des sonntäglichen Speiseplans.

Schlechte hygienische Bedingungen

Die Körperhygiene ist unter den beengten Wohnverhältnissen und angesichts der knappen Haushaltsbudgets sehr eingeschränkt: In den in der Küche aufgestellten Zuber mit auf dem Herd erhitzten Wasser steigen einmal in der Woche (meist am Samstag) – nach der innerfamiliären Rangordnung gestaffelt – mal als erster der Ehemann, manchmal auch erst die Kinder und schließlich die Ehefrau. Die Reinigungsmittel sind von schlechter Qualität und führen vielfach zu Hautreizungen.

Die traditionelle Kleidung

Die meisten Arbeiter tragen unter der Woche und auch am Sonntag eine lange Hose, ein meist kragenloses Hemd und eine Jacke, oftmals zudem eine Schirm- oder Schlägermütze, im Winter auch einen Pullover und/oder eine dickere Jacke. In seltenen Fällen steht für festlichere oder feierliche Gelegenheiten ein guter Anzug zur Verfügung, der freilich über Jahre halten muss und wirklich nur zu Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und Beerdigungen getragen wird. Mehrere Paar Schuhe sind selten in einem Arbeiterhaushalt zu finden. Knöchelhohe Stiefel werden bevorzugt, da sie auch bei schlechtem Wetter und im Herbst und Winter ihren Dienst tun. Damit unterscheidet sich die Kleidung der Arbeiter – wie zum Beispiel Fotos von Betriebsbelegschaften zeigen – deutlich von der der Angestellten und Beamten, die auch bei der Arbeit einen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte tragen und sich damit von den Arbeitern abheben.

Die Arbeiterfrauen tragen meist lange Röcke und Blusen, selten Kleider. Letztere sind feierlichen Gelegenheiten vorbehalten. Im Haus tragen sie eine (Kittel-)Schürze, um die „gute“ Kleidung zu schonen. Nicht alle verfügen über einen Regen- oder gar Wintermantel. Kopftuch und Umschlagtuch um die Schultern ersetzen diese Kleidungsstücke bei schlechtem Wetter und in der kalten Jahreszeit. Auch die Arbeiterfrauen haben bei den Schuhen keine große Auswahl: Sie besitzen vielfach nur ein Paar flache Schuhe, manchmal auch ein Paar knöchelhohe Stiefel.

Noch kärglicher ist die Ausstattung der Kinder: Bei Jungen sind das kurze Hosen und von der Mutter oder Großmutter selbst genähte Hemden bzw. selbst gestrickte Pullover, auch selbst gestrickte Kniestrümpfe, im Winter lange Strümpfe, die mit einem Leibchen gehalten werden. Mädchen tragen Röcke. Die meisten Kinder besitzen nur ein Paar Schuhe, das so lange getragen wird, bis es entweder völlig kaputt ist oder aber wirklich nicht mehr passt – und an kleinere Geschwister abgegeben wird.

Die Kleidung der Landarbeiter und ihrer Familien ist der der städtischen Arbeiter ähnlich. Wegen des Ineinandergreifens von Arbeits- und Ruhezeiten bei der Landarbeit tragen die Männer praktisch von morgens bis abends dieselben Sachen: lange Hose, Hemd, Weste und Jacke, im Winter eine dickere und längere Joppe, dazu Stiefel und Schirmmütze. Die Frauen tragen entweder ein leicht waschbares Kleid und darüber eine vielfach ärmellose Kittelschürze oder aber Rock und Bluse bzw. Pullover mit Schürze.

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