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Arbeiterinnen bei der Artillerieherstellung

Die Arbeitsbedingungen ändern sich nur langsam: Unfälle, Ausbeutung, Entmündigung

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gibt es ganz unterschiedliche Betriebe nebeneinander: Da sind die alten handwerklich geprägten Werkstätten und Fabriken, in denen mit viel körperlichem Einsatz und traditionellem Handwerkszeug Gegenstände des täglichen Bedarfs hergestellt oder repariert werden. Und auch die Heimarbeit, vor allem in der Spielzeugherstellung und in der Textilarbeit, lebt weiter fort. Doch zum Symbol der Zeit werden die Arbeitsplätze in den großen Fabriken, in denen viele Hundert, wenn nicht Tausend Facharbeiter und eine zunehmende Zahl von Hilfsarbeitern immer kompliziertere Produkte wie Werkzeugmaschinen, optische Geräte, Waffen und Fahrzeuge herstellen.

Aber auch in den aufstrebenden Industrien macht es einen großen Unterschied, ob man im Hüttenwerk, im Bergbau, in einer Werkzeugmaschinenfabrik oder in einem chemischen Werk beschäftigt ist. Die Arbeitsvorgänge und die entsprechenden Anforderungen an Körperkraft bzw. Fingerfertigkeit sind sehr unterschiedlich.

Brutale Ausbeutung

Die Arbeitssituation ist nach wie vor von brutaler Ausbeutung gekennzeichnet. Das Zeitdiktat der Arbeitgeber mit seinen überlangen Arbeitszeiten und kurzen Pausen und die gefährlichen Arbeitsbedingungen sind eine schwere Belastung für die Arbeiter und Arbeiterinnen.

Unter den schwersten und gefährlichsten Arbeitsbedingungen leiden die Bergarbeiter. Als besonders ungerecht wird das „Wagennullen“ empfunden; das bedeutet, dass Loren, die nicht vollständig mit Kohle gefüllt sind, überhaupt nicht auf die Tagesleistung angerechnet werden.

Auch wenn sich die Maschinenarbeit keineswegs in allen Bereichen durchgesetzt hat, bestimmt sie zunehmend Arbeitsweise und Arbeitstakt. Dabei ist die Arbeit vielfach eintönig, gesundheitsgefährdend und gefährlich. Dank der Beleuchtung der Werkhallen wird die Arbeitszeit in zunehmendem Maße vom Tageslicht abgekoppelt. Pausenzeiten sind, bis auf die Mittagspause, die die Arbeiter und Arbeiterinnen vielfach (nahe) am Arbeitsplatz verbringen, nicht vorgesehen.

Viele Arbeitsunfälle

Doch die Arbeitsbelastung durch Krach und Dreck, auch durch gefährliche Stoffe ist überall hoch. Arbeitsschutz ist selten. Die Zahl der Arbeitsunfälle ist entsprechend hoch. Erst langsam setzt sich im Bergbau die Erkenntnis durch, dass die Untertagearbeiter „wertvoll“ sind und ich Schutzmaßnahmen lohnen. Der Umgang mit heißen und gefährlichen Stoffen wird allenfalls durch eine „Erschwernis- oder Gefahrenzulage“ abgegolten und in den Stofffärbereien, den Gerbereien, der keramischen Industrie und der Farbherstellung spielen gesundheitliche Erwägungen zunächst keinerlei Rolle.

Auch gibt es kein Nachdenken über die katastrophale Verschmutzung der Umwelt: Abwässer und Abgase werden hemmungslos aus den Betrieben geleitet, bis Flüsse und Ströme zu Kloaken verkommen und die Luft in den Industrierevieren von gelb-schwefeligen oder rußigen Partikeln und Gestank verseucht ist.

Totale Entmündigung

Gemeinsam ist den Arbeitern und Arbeiterinnen die Erfahrung der Fremdbestimmung: Mit Betreten des Werkes geben sie ihre Selbständigkeit ab. Sie werden dem Arbeitszeitreglement des Betriebes, der Arbeitszuweisung des Meisters und dem „Benimm-Kodex“ der Arbeitsordnung unterworfen. Für die an vorindustrielle Souveränität in der Einteilung der eigenen Arbeit gewöhnten Menschen ist das ein enormer Eingriff in ihr Selbstbestimmungsrecht. Mögen manche Regelungen der Arbeitsordnung, z.B. „Nicht auf den Boden spucken“, sinnvoll sein, so wirken sie doch entmündigend.

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