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Bergarbeiterstreik im rheinisch-westfälischen Industriegebiet: Jugendliche greifen eine Militärpatrouille an, Mai 1889

Arbeitervereine verlieren an Einfluss: Rückschlag für die junge Bewegung

Der deutsch-französische Krieg und die Auseinandersetzungen innerhalb der Organisationen schwächen die junge Gewerkschaftsbewegung, die Zahl der Mitglieder sinkt dramatisch. Zwar können sich die Gewerkschaften im Zuge des wirtschaftlichen Booms (1871 bis 1873) stabilisieren, doch mit Beginn der Depression büßen sie erneut ihre Durchsetzungsfähigkeit ein.

Die ideologischen Konflikte zwischen den Gewerkschaften dauern an. Zwar legen 1875 die beiden sozialdemokratischen Strömungen (Lassalleaner und Eisenacher) ihren Streit bei und führen die Parteien und kurz danach die Gewerkschaften zusammen. 

Doch der Konflikt mit den liberal orientierten Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen verschärft sich. Deutlichster Beweis: 1876, auf dem Leipziger Verbandstag, beschließen die liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine die Einführung einer Revers-Unterschrift, mit der sich jedes Mitglied als Gegner der Sozialdemokratie bekennen muss.

Nach der Verabschiedung des Sozialistengesetzes (1878) werden die Gewerkschaften von einer Verbotswelle überrollt: Aufgelöst werden alle, außer den Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen und denen, die sich zuvor zur parteipolitischen Neutralität bekannt haben, z.B. der Buchdruckerverband, der Senefelderbund der Lithographen und Steindrucker, der Schiffszimmererverband und der Verband der sächsischen Berg- und Hüttenarbeiter.

Doch trotz staatlicher Unterdrückung wird Ende 1880 mit dem Wiederaufbau von Gewerkschaften begonnen. Es werden lokale Fachvereine, Kranken- und Sterbekassen, Wanderunterstützungen (zur Absicherung gegen die finanziellen Folgen von Streik und Arbeitslosigkeit) und Arbeitsnachweise gegründet.

Viele von ihnen werden 1888 erneut aufgelöst. Dennoch behalten die Gewerkschaften ihre Handlungsfähigkeit, die Streiks nehmen deutlich zu: Zwischen 1888 und 1890 werden 670 Streiks gezählt. Höhepunkt dieser Streikwelle ist der Streik der Bergarbeiter vom Mai 1889. Und die Zahl der Arbeiter, die sich den Gewerkschaften anschließen, wächst.

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