Quelle: akg
Die Monarchie wehrt sich: Der weite Weg zur Demokratie
Der Adel regiert Deutschland. Doch der Ruf von Teilen des Bürgertums sowie von Handwerkern und Arbeitern nach mehr Demokratie wird lauter und führt schließlich 1848 zu Revolution. Im selben Jahr tritt die Frankfurter Nationalversammlung zusammen und verabschiedet die erste deutsche Verfassung. Doch die Monarchie schlägt zurück.
Drei Monate nach dem Ende des napoleonischen Krieges treffen sich unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst von Metternich im September 1814 die Vertreter von über 200 europäischen Staaten, Fürstentümern und Städten zum Wiener Kongress, um sich auf eine territoriale Neuordnung Europas zu verständigen. Es ist die Geburtsstunde des Deutschen Bundes, des Zusammenschlusses von 35 souveränen Fürstentümern und vier freien Städten. Österreich und Preußen sind die stärksten Staaten im Deutschen Bund. Gemeinsam setzen sie alles daran, die Monarchie zu stärken und die Rufe von Teilen des Bürgertums sowie von Handwerkern und Arbeitern nach mehr Freiheit zu unterdrücken.
Um 1830 beginnt der Deutsche Bund damit, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zu fördern. 1833 entsteht die Deutsche Zollunion unter der Führung Preußens, aber ohne Österreich. Es wird ein einheitliches Wechsel- und Handelsrechts eingeführt, die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben und die Arbeitsvertragsfreiheit gesetzlich verankert. Erste Sozialgesetze, wie das preußische „Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter“ vom März 1839, sollen dazu beitragen, die katastrophalen Härten der Kinderarbeit mildern.
Preußische Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 (pdf)
Das Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter vom 9. März 1839 (pdf)
Gleichzeitig lässt der Deutsche Bund nichts unversucht, die liberal-demokratische Bewegung zu stoppen. Alarmiert durch das Hambacher Fest im Jahr 1832, auf dem rund 30.000 Menschen für Presse- und Versammlungsfreiheit, einen deutschen Nationalstaat und mehr Mitbestimmung demonstrieren, reagiert der Deutsche Bund mit voller Härte: Die Zensur wird verschärft, alle politischen Vereine und Versammlungen verboten. Das politische Leben kommt fast vollständig zum Erliegen.
Als Wilhelm IV. 1840 in Preußen die Regierungsgeschäfte übernimmt, hoffen viele auf eine liberalere Ära. Doch die Hoffnungen bleiben unerfüllt. Die Enttäuschung darüber entlädt sich in der März-Revolution 1848.
Die Revolution 1848
Im Mittelpunkt der Revolution vom März 1848, die weite Teile Europas erfasst, stehen die Forderung nach nationaler Einheit, parlamentarischer Demokratie und Einführung eines Wahlrechts. Es ist im Kern eine bürgerliche Revolution, doch getragen wird sie vor allem von Handwerkern und Arbeitern. Sie gehen nicht nur auf die Barrikaden, um für mehr Demokratie, sondern auch um für ihre sozialen und wirtschaftlichen Ziele zu kämpfen. Wichtigster Erfolg der Revolution ist die Einberufung einer Nationalversammlung im Frühjahr 1848. Sie soll in der Frankfurter Paulskirche eine Verfassung ausarbeiten und verabschieden.
Aber die von einzelnen Arbeiterorganisationen geforderten Sozialreformen, spielen bei den Beratungen in der Paulskirche keine Rolle. Dennoch: Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit werden in der ersten deutschen Verfassung verankert. Viele schöpfen daraus die Hoffnung, die Monarchie könne demokratisiert werden. Die Protestbewegung, zu der auch die ersten Arbeiterorganisationen gehören, geht gestärkt aus der 48er Revolution hervor. Zunächst.
Petition der Deutschen Buchdrucker an die Nationalversammlung (pdf)
Rückschlag für die junge Demokratie
Doch schon kurz nach der Revolution festigt die Monarchie ihre Herrschaft erneut, der Deutsche Bund wird wieder hergestellt. Die von der Frankfurter Nationalversammlung verabschiedeten Grundrechte werden eingeschränkt, die selbstständigen Organisationen der Arbeiterbewegung zerschlagen und die Existenz- und Arbeitsbedingungen „politischer Vereine“ durch ein neues Vereinsgesetz erschwert. Die preußische Verfassung aus dem Jahr 1850 macht deutlich: König und Fürsten sind nur sehr eingeschränkt zu Zugeständnissen bereit. Das preußische Dreiklassenwahlrecht wird zum Symbol für die Einschränkung der Volksrechte.
Das Preußische Vereinsgesetz vom 11. März 1850 (pdf)
Gleichzeitig zeigt der Obrigkeitsstaat ein anderes, etwas sanfteres Gesicht: Es werden erste, sehr behutsame Versuche gemacht, die schlimmsten sozialen Missstände durch gesetzliche Regelungen mildern. Dabei geht es dem Staat allerdings weniger darum, die soziale Situation der Männer, Frauen und Kinder in den Fabriken zu verbessern. Ziel ist es vielmehr, gesunden Nachwuchs für Polizei und Militär zu erhalten.
Preußisches Gesetz über die Fabrikinspektion vom 16. Mai 1853 (pdf)
Der Norddeutsche Bund
1861 wird Wilhelm I. König von Preußen. Viele hoffen erneut auf den Beginn einer liberalen Ära. Sie werden wieder enttäuscht. Nachdem die liberale Mehrheit des Landtages Wilhelm I. die Zustimmung zu einer Heeresreform verweigert, erklärt sich Otto von Bismarck, seit 1862 preußischer Ministerpräsident, bereit, gegen die Mehrheit des Landtages zu regieren und die Heeresreform auch ohne genehmigten Haushalt durchzusetzen.
Bismarck ist ein Verfechter der „klein-deutschen“ Einheit Deutschlands unter der Führung Preußens und damit des Ausschlusses von Österreich. Dieses Thema prägt die Debatte um die nationale Einheit seit Gründung des Deutschen Bundes. Mit der Niederlage Österreichs im Krieg mit Preußen im Juni/Juli 1866 ist der Weg zur „klein-deutschen“ Lösung vorgezeichnet. Der Deutsche Bund wird aufgelöst, unter der Führung Preußens wird der Norddeutsche Bund gebildet. Die Schaffung eines deutschen Nationalstaats rückt in greifbare Nähe.
Fünf Jahre später, am 18. Januar 1871, nach dem Sieg im deutsch-französischen Krieg, wird im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, das Deutsche Reich gegründet.