Nach der Währungsreform 1923

Unternehmen erobern den Weltmarkt

Endlich. Die Inflation ist gestoppt, die Wirtschaft erholt sich. Wichtige Industriezweige können auf dem Weltmarkt wieder Fuß fassen, der Export boomt. Gleichzeitig steigt dank erfolgreicher Rationalisierungsmaßnahmen die Produktivität. Die Folge: Trotz der wirtschaftlichen Erholung bleibt die Arbeitslosenquote hoch.

Deutlichstes Zeichen für den Wirtschaftsaufschwung ist die Entwicklung der Industrieproduktion. Sie verdoppelt sich in den Jahren 1923 bis 1928/29. Zwar erreicht sie nicht den Stand vor Beginn des I. Weltkrieges, doch die chemische, die elektrotechnische und die optische Industrie, zum Teil auch die Textilindustrie und der Maschinenbau, erlangen wieder Weltgeltung. Der Export und die Außenhandelsbilanz entwickeln sich positiv.

Zum Wirtschaftsaufschwung trägt auch die Einführung neuer Arbeitsvorgänge und neuer Techniken bei, unter anderem der Fließbandarbeit. „Taylorismus“ und „Fordismus“ setzen sich durch. Dank der Rationalisierungsmaßnahmen steigt die Arbeitsproduktivität z. B. in der deutschen Maschinenindustrie zwischen 1924 und 1927 um 45 Prozent, in der Eisenindustrie zwischen 1925 und 1927 um 41 Prozent. Die Kehrseite dieser Medaille: Die Arbeit verdichtet sich, die Arbeitslosenquote bleibt trotz verhältnismäßig guter Konjunktur hoch.

Der Dienstleistungsbereich wächst

Die Veränderungen in der Arbeitswelt und damit der Erwerbstätigkeit setzen sich in der Weimarer Republik fort, die Gewichte zwischen den Wirtschaftsbereichen verschieben sich. Der Anteil der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft geht weiter zurück, der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich steigt. Der öffentliche Sektor sowie die Angestelltenbeschäftigung in der Industrie wachsen, die Zahl der Angestellten und Beamten nimmt zu. Zwar steigt im selben Zeitraum auch die absolute Zahl der Arbeiter, prozentual geht ihr Anteil an den Erwerbstätigen aber zurück. Allerdings stellen sie mit 50 Prozent immer noch die größte Gruppe der Erwerbstätigen. Dennoch: Der Übergang von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft hat begonnen.

Erwerbstätigkeit von Frauen

Nach dem Krieg kehren viele Frauen an Heim und Herd zurück bzw. werden durch die Demobilisierungsverordnung aus dem Arbeitsleben gedrängt. Dennoch bleibt ihr Anteil an der Erwerbstätigkeit höher als vor 1914 und zeigt bis 1933 eine zunehmende Tendenz: Sie liegt 1907 bei 33,8 Prozent, 1925 bei 35,8 und 1933 bei 35,5 Prozent.

Frauenarbeitsplätze

Die Erwerbsquote von Frauen (Anteil der erwerbstätigen Frauen bezogen auf alle Frauen) steigt von 1907 bis 1925 von 30,4 auf 35,6 Prozent und geht bis 1933 leicht auf 34,2 Prozent zurück.

Vor allem in Industrie und Handwerk nimmt der Frauenanteil zu, von 22,1 (1907) auf 26,3 Prozent (1925). Im Dienstleistungsbereich geht der Frauenanteil geringfügig von 33,1 auf 31,9 Prozent zurück. Dennoch sind es vor allem die Angestelltenberufe, in denen der Frauenanteil ständig wächst.

Nicht wenige Frauen entscheiden sich für Heimarbeit, weil diese Art der Erwerbstätigkeit es ermöglicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Die Macht der Kartelle

Auch der Trend zum Großbetrieb hält an. In Industrie und Handwerk geht der Beschäftigtenanteil der kleinen Betriebe mit einem bis fünf Arbeitnehmern zwischen 1907 und 1925 von 31,2 auf 25,4 Prozent zurück. Demgegenüber nimmt die Zahl der größeren Betriebe zu, am deutlichsten die der Großbetriebe mit über 1.000 Beschäftigten. Ihr Anteil steigt von 4,9 auf 6,8 Prozent. Dennoch: Der überwiegende Teil der Arbeitnehmer ist nach wie vor in Klein- und Mittelbetriebe beschäftigt.

Doch das Bild der Industrie wird von den Großbetrieben geprägt. Bergbau und Stahlproduktion behalten ihre herausragende Bedeutung. Moderne Industrieunternehmen, z.B. AEG, Bosch und Siemens im Bereich der Elektrotechnik, Bayer und BASF als Chemiekonzerne, bauen ihre Weltmachtstellung aus. Großkonzerne wie IG-Farben und die Vereinigten Stahlwerke entstehen in diesen Jahren, die Autoproduktion gewinnt an Bedeutung.

Manager wie Paul Reusch (Gutehoffnungshütte), Emil Kirdorf (Gelsenkirchener Bergwerks AG, Vereinigte Stahlwerke) und Carl Duisberg (Bayer) sowie Eigentümerunternehmer wie Robert Bosch, Ernst von Borsig, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Carl Friedrich von Siemens und Fritz Thyssen prägen das Bild des Unternehmers jener Jahre. Sie machen ihren Einfluss, eben wegen der Bedeutung der von ihnen geleiteten Unternehmen, direkt bei Parteien und/oder Regierungen geltend. Sie prägen die Politik der wirtschaftlichen Interessenverbänden der jeweiligen Branche, des Reichsverbandes der Deutschen Industrie und der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Der Trend zum Großbetrieb ist Folge eines voranschreitenden Konzentrationsprozesses. Das zeigt sich vor allem in der zunehmenden Kartellierung: So sind 1926 98,3 Prozent des Kalibergbaus, 97,3 Prozent des Bergbaus, 96,3 Prozent der Farbenindustrie, 86,9 Prozent der elektrotechnischen Industrie, 80,9 Prozent der Schifffahrt und 73,9 Prozent der Banken in Konzernen und Kartellen zusammengeschlossen.

Diese Entwicklung wird von Rudolf Hilferding, dem wichtigsten sozialdemokratischen Theoretiker der 1920er Jahre, als Beitrag zur Herausbildung des „organisierten Kapitalismus“ gedeutet. Der Kapitalismus, so seine These, werde durch das Vordringen von planerischen Maßnahmen in Investition und Produktion aus sich selbst heraus „organisiert“. Damit sei er leichter durch staatliche Kontroll- und Lenkungsmaßnahmen zu steuern.

Die Theorie des „organisierten Kapitalismus“ ist die Grundlage für das Ende der 1920er Jahre entworfene Wirtschaftsdemokratie-Programm der Freien Gewerkschaften.

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