Die weiblichen Mitglieder der mehrheitssozialdemokratischen Reichstagsfraktion in der Weimarer Nationalversammlung, 1. Juni 1919: Johanna Tesch, Johanna Reitze, Louise Schroeder, Wilhelmine Eichler, Ernstine Lutze, Elisabeth Röhl, Wilhelmine Kähler, ©AdsD
Gruppenfoto der Mehrheits-Sozialdemokratinnen in der Weimarer Nationalversammlung
1918-1923
Revolution 1918 und Anfänge der Weimarer Republik

Schwieriger Neuanfang nach dem Krieg

Höhere Löhne und der Achtstundentag

Das Elend nach Kriegsende ist groß. Die Arbeitslosigkeit steigt und die seelischen und körperlichen Wunden, die der Krieg verursacht hat, sind längst nicht verheilt. Doch dank der Einführung des Achtstundentages und moderater Lohnerhöhungen verbessert sich die Lage der Arbeiterfamilien langsam. Bis die Inflation alles zunichte macht.  

Es ist das Schicksal der Vielen, die die Zeit nach dem I. Weltkrieg prägt: Da sind die Männer, die den Krieg vielfach traumatisiert überlebt haben, in die Heimat zurückkehren und wieder in die Betriebe einziehen. Da sind die Frauen, die während des Krieges in den Fabriken gearbeitet haben und jetzt, meist unfreiwillig, ihren Arbeitsplatz räumen. Da sind die Kriegerwitwen und -waisen, die ihre Männer und Väter verloren haben und die Kriegsversehrten, die den Krieg knapp überlebt haben. Doch so unterschiedlich die Schicksale sind, sie haben eines gemeinsam: Sie alle hoffen auf einen Neuanfang.

Die Versorgung der Bevölkerung ist schlecht

Aber der ist schwer. Die Wirtschaft kommt nur sehr langsam in Schwung, die Arbeitslosigkeit steigt und bestimmt das Leben vieler Arbeiterfamilien in der Nachkriegszeit. Auch die instabilen politischen Verhältnisse sind kaum geeignet, den Glauben an eine bessere Zukunft zu stärken.

Erstmals Anspruch auf Urlaub

Endlich, zu Beginn der 1920er Jahre, verbessert sich die soziale Lage: Die Löhne - vor allem die der industriellen Facharbeiter – steigen, die wöchentliche Arbeitszeit wird auf 48 Stunden verkürzt. Die Arbeitslosenquote sinkt von 5,1, Prozent (der Gewerkschaftsmitglieder) im Dezember 1918 auf 0,8 Prozent im Jahr 1922. Und zum ersten Mal haben Arbeiterinnen und Arbeiter Anspruch auf einen bescheidenen Jahresurlaub. Je nach Betriebszugehörigkeit stehen ihnen zwischen drei Tagen bis zu 14 Tagen bezahlter Urlaub pro Jahr zu. Angestellte, die schon in der Vorkriegszeit vielfach in den Genuss von Urlaub gekommen sind, haben im Schnitt zwei bis drei Wochen bezahlten Urlaub.

1920 verabschiedet das Parlament das Betriebsrätegesetz, das die Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte der Arbeiterschaft in den Unternehmen stärkt. Kein Zweifel: Die neue Zeit ist angebrochen.

Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 (pdf)

Ernüchterung macht sich breit

Doch die Phase des sozialen Aufbruchs endet schnell: Achtstundentag und 48-Stunden-Woche werden von vielen Unternehmern in Frage gestellt, die galoppierende Inflation frisst die Lohnerhöhungen auf. Daran können auch die vereinbarten Lohngleitklauseln nichts ändern.

Vermutlich haben viele Arbeiterinnen und Arbeiter gehofft, mit der Revolution und der Gründung der Republik, würden sie nun endlich anderen Schichten der Bevölkerung gleichgestellt. Als sich zu Beginn der 1920er die wirtschaftliche und soziale Situation wieder verschärft, wächst die Enttäuschung der Arbeiterschaft über die „steckengebliebene“ Revolution. Zukunftsangst und Verzweiflung, auch in Kreisen des (Klein-)Bürgertums, machen sich breit. Populistische Politikversprechungen von „links“ wie „rechts“ fallen auf fruchtbaren Boden.

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Betteln, um zu überleben:Kriegsinvaliden in Berlin  © gemeinfrei 

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