Abzeichen des DGB nach 1945 ©AdsD
1945-1949
Nachkriegsjahre

Nach dem II.Weltkrieg

Die Alliierten geben den Kurs vor

Sie sind die politischen Akteure der ersten Stunde: Kaum sind die Nationalsozialisten besiegt, helfen Gewerkschafter und Betriebsräte mit, die Fabriken wieder flott zu machen und die Not der Arbeiterfamilien zu lindern. Sie bauen ihre Organisationen neu auf und entfalten in allen Besatzungszonen eine Fülle von Initiativen.

Reibungslos verläuft der Neustart nicht. Zum einen, weil erneut die Debatte aufflammt, ob sich die Gewerkschaften als Berufs- oder Industrieverbände organisieren sollen. Zum anderen weil man uneins ist, ob ein föderaler, nach Industriezweigen gegliederter, oder ein zentraler Gewerkschaftsbund anstrebt werden soll. Und nicht zuletzt, weil die Siegermächte in den von ihnen besetzten Zonen detaillierte Vorgaben machen, in welchen Schritten die neue Gewerkschaft aufgebaut werden darf.

Am deutlichsten erleben das die Gewerkschafter in der britischen Zone. Zwar können dort bereits im August 1946 mit Zustimmung der Besatzungsmacht Gewerkschaften gegründet werden, doch die weitere Entwicklung wird einem Dreiphasenplan unterworfen. Danach dürfen die Gewerkschaften zunächst nur auf lokaler Ebene Programme erarbeiten und Versammlungen abhalten. In der zweiten Phase ist es erlaubt, Räume anzumieten und Mitglieder zu werben, in Phase 3 schließlich können Funktionäre eingestellt werden. Wann eine Gewerkschaft eine neue Phase erreicht, darüber befindet die britische Militärregierung.

Auch auf die Organisationsprinzipien nehmen die Briten massiv Einfluss. Sie machen den Gewerkschaftsführern ihrer Zone klar, dass sie sich nicht mit dem Plan einer zentralen Einheitsgewerkschaft, sondern allein mit einem Bund von Industrieverbänden anfreunden können. Das von Hans Böckler, dem späteren Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, favorisierte Modell einer Allgemeinen Gewerkschaft, ist damit vom Tisch.

In der amerikanischen Zone werden schon früh regionale Gewerkschaftsverbände geschaffen – zunächst 1946 in Hessen, dann 1947 in Baden-Württemberg und Bayern. Die Gewerkschafter in der französischen Zone folgen diesem Vorbild und gründen die Landesverbände Südwürttemberg und Hohenzollern, Baden und Rheinland-Pfalz.

Ende 1948 dann das erste zentrale Gewerkschaftsgremium für die Westzonen: Nachdem zunächst Amerikaner und Briten in ihrer Bizone einen gemeinsamen Gewerkschaftsrat akzeptiert haben, wird er nach Bildung der Trizone ausgeweitet. Die Gewerkschafter aus der französischen Besatzungszone treten am 20. Dezember 1948 dem Gewerkschaftsrat bei.

Damit ist die Organisationsstruktur in den Westzonen vorgezeichnet: Die Gewerkschaften werden ein föderaler Zusammenschluss von selbstständigen Industrie- bzw. Berufsverbänden, die Spaltung in Richtungsgewerkschaften ist überwunden.

Entwicklung im Osten

In der sowjetischen Besatzungszone geht der Aufbau der Gewerkschaften schneller voran: Schon im Juni 1945 beauftragt die Militärregierung eine Kommission, die Gründung einer Gewerkschaft vorzubereiten. Im Februar 1946 findet dann bereits der Gründungskongress des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) statt. Dem Gewerkschaftsvorstand gehören 19 KPD-, 18 SPD-, 4 CDU-Mitglieder und 4 Parteilose an.

Doch der Pluralismus im FDGB ist von kurzer Dauer: Mit der Vereinigung von KPD und SPD im April 1946 erlangt die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) im Vorstand des FDGB eine erdrückende Mehrheit und bestimmt fortan die Politik. Im Herbst 1948 wird die FDGB-Spitze umbesetzt, politische „Störenfriede“ werden kaltgestellt.

Teilnehmer der 4. Interzonenkonferenz in der Bildungsstätte der IG Metall Raintalerhof bei Garmisch am 6. Mai 1947: In der Mitte vorne Hans Böckler

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Der Einfluss von Besatzungsmacht und SED sprengt am Ende auch die Interzonenkonferenzen, zu denen sich Gewerkschafter aus allen vier Besatzungszonen seit 1946 treffen, um den Zusammenhalt der Gewerkschaftsbewegung zu sichern und die Teilung Deutschlands zu verhindern. In zentralen Fragen, wie etwa der Neugestaltung der Wirtschaft, sind sie sich einig. Doch am Marshallplan scheiden sich die Geister. Auf der 8. Interzonenkonferenz im Mai 1948 lehnen die Vertreter des FDGB den Marshallplan ab, die der westdeutschen Gewerkschafter befürworten ihn. Der Ost-West-Konflikt greift auf die Gewerkschaftsbewegung über.

Für eine Neuordnung der Wirtschaft

Dabei sind sich die Gewerkschaften in allen Besatzungszonen in Grundsatzfragen einig: Staat und Wirtschaft sollen entnazifiziert, die Schlüsselindustrie in Gemeineigentum überführt werden. Diese Ziele werden von SPD und KPD und auch von Teilen der CDU mitgetragen.

Eine Zeit lang sieht es in der Tat so aus, als könne die Forderung nach Sozialisierung des Privateigentums auch in den Westzonen realisiert werden. In mehreren Länderverfassungen wird die Möglichkeit von Enteignungen zu Gunsten der Allgemeinheit verankert. Doch bald zeigt sich, dass die Gewerkschaften im Westen weder Rückhalt bei den politischen Parteien noch bei den Besatzungsmächten für ihre Forderung haben. Und die Politik der sowjetischen Besatzungszone trägt auch nicht dazu bei, das Vertrauen in eine sozialistische Wirtschaftspolitik zu stärken.

Mitgliederentwicklung in Ost und West

Der Mitgliederzulauf zu den Gewerkschaften in den westlichen Besatzungszonen ist sehr unterschiedlich. Am stärksten sind die Gewerkschaften in der britischen Besatzungszone. 1948 sind fast 2,8 Millionen Mitglieder und damit gut 42 Prozent aller Beschäftigten organisiert. In der amerikanischen Zone zählen die Gewerkschaften im selben Jahr 1,6 Millionen und in der französischen Zone nur 385.000 Mitglieder. Das entspricht einem Organisationsgrad von etwa 38 bzw. 30 Prozent.

Die Mitgliederzahl des FDGB im Osten Deutschlands wächst rasch an: Im Gründungsjahr 1945 hat er rund 1,6 Millionen Mitglieder, 1946 dann 3,3 Millionen (davon eine Million Frauen) und 1947 vier Millionen Mitglieder (davon 1,2 Millionen Frauen).

Seiten dieses Artikels:

1945 - 1949

Das Ziel in Ost und West: Für die Einheit der Gewerkschaften
Gewerkschaften: Zupacken für den Wiederaufbau
Schwierige Bedingungen unter den Aliierten: Wenig Spielraum in Ost wie West

Verfügbare Statistiken für diese Epoche:
Arbeitslosigkeit, Arbeitszeit, Arbeitskämpfe, Löhne, Mitgliederentwicklung der Gewerkschaften, Strukturdaten zur Erwerbsbevölkerung.

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Schlaglichter
  • Haltung zum Marshallplan verhindert Zusammenschluss der Gewerkschaften Ost-West
  • Gründung des DGB (West) und FDGB (Ost)
  • Grundlegende Reform der Wirtschaftsordnung scheitert im Westen

Video: Hans Böckler

Der DGB-Vorsitzende im Parlament der Arbeit zum Interessenausgleich: "Es muss möglich sein ..."

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